Anbindehaltung: Druck von den Molkereien

von Redaktion

Laufställe statt Anbindehaltung – die Molkereien machen den Landwirten Druck bei der Umstellung. Die Bauern fürchten, dass dann vor allem kleine Betriebe aufgeben müssen.

VON DOMINIK GÖTTLER UND SABINE DOBEL

München – Im Sommer grasen sie auf der Weide, den Winter über stehen die zehn Milchkühe von Peter Fichtner angebunden im Stall. „Und sie sind zufrieden damit“ – da ist sich der 60-jährige Landwirt aus Bad Heilbrunn (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) sicher. „Den Umbau zu einem Laufstall kann ich mir im Nebenerwerb nicht leisten“, sagt Fichtner. Damit spricht er ein Problem an, das Bayerns Bauern seit Jahren umtreibt – und das nun wieder hochkocht.

Denn die süddeutschen Molkereiverbände haben kürzlich ein Papier verabschiedet, in dem sie sich für einen Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung bis zum Jahr 2030 aussprechen. „Es geht um das Tierwohl“, sagt Carolin Babl, Geschäftsführerin des Verbands „milch.bayern“, in dem die meisten Molkereien im Freistaat Mitglied sind. „Wir wollen Konzepte und Lösungen finden, um eine Umstellung zu unterstützen.“

Die Bauern sind alarmiert. Eine solche Anforderung könne das Aus gerade für kleine Familienbetriebe bedeuten, sagt der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Walter Heidl. Zwar hätten 50 Prozent der Höfe ganzjährige Anbindehaltung, das betreffe aber nur 30 Prozent der Kühe. Das zeige, dass vor allem kleinere Betriebe ihre Tiere im Stall noch anbinden. „Ich behaupte, dass gerade in den kleineren Betrieben der Umgang der Bauern mit den Tieren ein guter ist.“ Hier habe jede Kuh noch einen Namen, die persönliche Betreuung der Tiere stehe im Vordergrund. Nach langer politischer Debatte verzichtete die Bundesregierung vor einigen Jahren auf ein festes Ausstiegsdatum – weil dadurch eine Beschleunigung des Strukturwandels befürchtet wurde.

Peter Fichtner glaubt, dass der Druck nicht nur von den Molkereien kommt, sondern auch aus der Bauernschaft selbst. Nämlich vonseiten der Milcherzeugergemeinschaften, die bereits auf Laufställe umgestellt haben und sich nun einen Wettbewerbsvorteil erhoffen. „Wir sollten hier solidarischer miteinander umgehen.“ Laut Heidl planen einzelne Molkereien bereits Verträge, in denen Betriebe mit Anbindehaltung schlechtergestellt werden könnten, wenngleich nach Molkerei-Angaben derzeit keine preisliche Unterscheidung geplant ist.

Die Landtags-Grünen begrüßen den Vorstoß der Molkereien. Viele Milchviehhalter seien lange schlecht beraten worden. „Bauernverband und CSU-Landwirtschaftsministerium haben die Umstellung weder gefordert, noch gefördert“, sagt Grünen-Abgeordnete Gisela Sengl. Die reine Anbindehaltung habe keine Zukunft.

Im bayerischen Landwirtschaftsministerium beobachtet man die Diskussion mit Sorge. Dass Handel und Molkereien eine eigene Marktpolitik betrieben, sei zwar verständlich, sagt ein Sprecher. „Aber das gefährdet unseren Weg der sanften Umstellung und wird zu vorzeitigen Betriebsaufgaben führen.“ Das Haus von Ministerin Michaela Kaniber (CSU) will weiter auf Freiwilligkeit und Förderung setzen. Eine Ewigkeitsgarantie für die ganzjährige Anbindehaltung könne es aber nicht geben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium prüft derzeit, welche Schlussfolgerungen sich aus einem Gutachten des Thünen-Instituts ziehen lassen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung auch mit einer flankierenden Förderung zur Beschleunigung des Strukturwandels führen würde.

Peter Fichtner jedenfalls hofft weiter, dass kein Verbot kommt – auch wenn er davon selbst nicht unmittelbar betroffen wäre. „Ich bin jetzt 60 Jahre alt, auch bei mir stellt sich demnächst die Frage, ob einer meiner Söhne den Betrieb im Nebenerwerb weiterführt. Aber durch solche Debatten wird die Jugend nicht gerade ermuntert.“

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