Innsbruck/München – Knapp fünf Jahre ist es her, dass eine 45-jährige Frau aus Rheinland-Pfalz bei einer Wanderung im Tiroler Stubaital von einer Kuh angegriffen wurde. Die Frau hatte ihren Hund dabei, die Leine hatte sie mit einem Karabiner um die Hüfte fixiert. Die Kuh wollte offenbar ihre Kälber vor dem Hund schützen und griff an. Dabei wurde die Frau so schwer verletzt, dass sie nicht überlebte.
Nun endet vorerst das juristische Nachspiel dieses tragischen Unfalls. Und das mit einem Paukenschlag. Denn das Landgericht Innsbruck urteilte, dass der beklagte Landwirt den Hinterbliebenen Schadenersatz zahlen muss. Der Ehemann und der Sohn des Opfers sollen insgesamt rund 180 000 Euro erhalten. Zusätzlich müsse der Bauer dem Mann eine monatliche Rente von 1200 Euro und dem Sohn von 350 Euro zahlen, teilte das Gericht am Freitag mit.
Nach Auffassung des Gerichts hatte der Bauer nur unzureichend vor den Gefahren einer Kuhherde, in der Kälber aufwachsen, gewarnt. Die aufgestellten Warnschilder hätten nicht ausgereicht. „An einem neuralgischen Punkt wie dem Unfallort sind Abzäunungen zum Schutz des höchsten Gutes, des menschlichen Lebens, notwendig und aufgrund des geringen Aufwandes auch zumutbar“, argumentierte das Gericht.
Wenn das Urteil, gegen das der Bauer Berufung angekündigt hat, bestätigt werde, habe das enorme Auswirkungen auf Tourismus und Weidewirtschaft, kritisierte die Landwirtschaftskammer Österreich. Eine verpflichtende Einzäunung wäre den Bergbauern finanziell nicht zumutbar, sagte der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger.
„Das Urteil ruft unter den Landwirten extreme Ängste und Verunsicherung hervor. Die Bauern fragen mich, ob sie die Kühe noch auf die Alm treiben sollen, oder ob sie die Almen komplett sperren sollen“, sagte der Präsident der Tiroler Landwirtschaftskammer, Josef Hechenberger. Das würde viele Wanderwege betreffen. Es sei auch darüber nachzudenken, die Kühe im Stall zu lassen. Eine weitere Variante wäre, dass Hunde auf Almen in Zukunft nicht mehr geduldet würden, da bisher in jeden Vorfall Hunde verwickelt gewesen seien.
Auch in Bayern sorgt das Urteil für Empörung. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Georg Mair vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern. „Wenn das Schule macht, bedeutet es das Aus für die Almwirtschaft.“ Immer mehr Wanderer steigen laut Mair querfeldein über die Almflächen auf. „Insofern sind wir mit diesen Problemen tagtäglich konfrontiert.“ Schon jetzt werde auf die Gefahren hingewiesen. „Was sollen wir denn noch machen? Sämtliche Wege einzäunen? Das ist völlig unrealistisch.“ dg/dpa