Oberammergau – Mehrere Tourengeher haben das sonnige Wetter am Samstag für einen Ausflug in die Ammergauer Alpen genutzt. Laut Lawinenlagebericht galt bis 2000 Metern die Warnstufe 2, die „größere Lawinen“ eigentlich nicht befürchten lässt. „Steile Grashänge mit Gleitschneerissen meiden“, hieß es. Wie gefährlich es allerdings derzeit im deutsch-österreichischen Grenzgebiet zwischen Reutte und Oberammergau für Tourengeher sein kann, zeigte sich unterhalb des Gipfels der Schäferblasse (1764 Meter hoch). Laut Polizei löste sich dort gegen 14.20 Uhr eine Lawine und teilte sich in drei Arme. Einer dieser Arme erfasste sechs Tourengeher.
Die Rettungsaktion gestaltete sich schwierig. Wegen Straßensperrungen aufgrund von Lawinengefahr mussten rund 70 Einsatzkräfte mit Hubschraubern in das Suchgebiet geflogen werden. Unter ihnen Helfer aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen. „Wir sind mit 40 Einsatzkräften aus dem Ammertal hingekommen und haben die österreichischen Kollegen unterstützt bis zum Einbruch der Dunkelheit“, berichtet Johannes Flemisch, Einsatzleiter der Bergwacht Oberammergau. So konnten noch am Samstag fünf Tourengeher geborgen werden.
Für einen 42 Jahre alten Mann aus Cham in der Oberpfalz konnten die Helfer nichts mehr tun, sie fanden ihn tot auf. Ein 37-Jähriger aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen kam mit schweren, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Vermisst wird ein 43-Jähriger aus Cham. Alles, was von ihm bisher gefunden wurde, ist sein Skistock. „Es ist anzunehmen, dass sich diese Person irgendwo in dem Lawinenkegel befindet“, sagte Flemisch. Die Suche musste am Samstagabend unterbrochen werden, „das Risiko für die eingesetzten Kräfte ist einfach zu groß“.
Am Sonntag suchten im Lawinengebiet acht Spezialisten der Polizei nach dem Vermissten, im Auslauf waren Helfer der Bergwacht im Einsatz. Auch ein Suchhund war vor Ort. „Das Problem ist die Substanz des Schnees“, sagte ein Polizeisprecher. „Der ist steinhart.“ Stellenweise sei der Schnee drei Meter tief.
Die Polizei geht davon aus, dass sich die Lawine selbst ausgelöst hat. Es handle sich wahrscheinlich um eine Gleitschneelawine. Diese entstehen durch einen großflächigen Reibungsverlust zwischen der Schneedecke und dem Untergrund aufgrund von Wasser. Wird das Gleiten schneller, entsteht eine Lawine, die jederzeit abgehen kann und nicht vorhersehbar ist. Dieser Unberechenbarkeit ist sich auch Einsatzleiter Flemisch stets bewusst. „Die Natur hält sich nicht an Gesetzmäßigkeiten“, betonte der 38-Jährige. Was er damit sagen will: Eine niedrige Warnstufe bedeutet nicht automatisch keine oder nur eine geringe Gefahr. An der Abbruchkante, die den Wintersportlern zum Verhängnis wurde, liege der Schnee noch meterhoch, ein Abrutschen der Schneemassen sei nicht auszuschließen.
Wie ein Polizeisprecher gegenüber Medien ankündigte, soll in dem Bereich, in dem der Skistock des Vermissten gefunden wurden, noch einmal intensiv gesucht werden. Es werde überlegt, Wärmebildkamera und Drohnen einzusetzen. Unterdessen schwindet die Hoffnungen, den Mann unter dem betonharten Schnee noch lebend zu finden.
Auch in Kühtai in Tirol ging am Samstagnachmittag eine Lawine ab. Laut Polizei wurde dabei ein 27-Jähriger verschüttet, der zuvor mit einem Begleiter auf den 12er Kogel gestiegen war. Ihn schleifte die Lawine etwa 50 Meter mit. Er konnte nur noch leblos aus den Schneemassen geborgen werden. Beide tödlichen Lawinenunglücke ereigneten sich ausgerechnet am 20. Jahrestag der Lawinenkatastrophe von Galtür in Tirol, bei der 31 Menschen starben. mit hut/dpa/lby