NACHGEFRAGT...

Kirchenverzicht auf Geld

von Redaktion

Staatsleistungen für die beiden großen christlichen Kirchen lösen regelmäßig Diskussionen aus. Thomas von Mitschke-Collande, Unternehmensberater und Buchautor („Schafft sich die Kirche ab?“), sieht dringenden Reformbedarf bei den Kirchenfinanzen.

Der Staat zahlt der katholischen und der evangelischen Kirche jährlich 500 Millionen Euro. Zahlungen, die bis in die Zeit der Reformation und der Säkularisation zurückgehen. Und die immer wieder in der Kritik stehen. Wie kann man das noch rechtfertigen?

Eigentlich nur durch eine juristische Rechtfertigung. In der Verfassung der Weimarer Republik wurden diese Staatsleistungen festgeschrieben, wobei vorgesehen war, dass man sie auch durch eine Einmalzahlung ablösen kann. Das Gleiche wurde in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Von der Sache her lässt es sich nicht mehr rechtfertigen, da in der Zwischenzeit beiden Kirchen beträchtliche andere Finanzmittel zugewachsen sind. Das ist einmal die Kirchensteuer, die für beide Kirchen zusammen inzwischen ein Volumen von etwa zwölf Milliarden Euro ausmacht.

Und was noch?

Hinzu kommen erhebliche Einnahmen etwa aus Grundbesitz. Da ist doch ein ganz beachtliches Vermögen vor allem bei der katholischen Kirche gebildet worden. Es besteht daher keine Notwendigkeit mehr für die ursprüngliche Absicht, kirchliche Gebäude oder Würdenträger zu finanzieren,

Was schlagen Sie vor?

Die bisherige Position beider Kirchen ist, dass man bereit ist, über eine Ablöse zu verhandeln. Man besteht also auf seiner Rechtsposition. Mein Vorschlag wäre: einfach mal anders sein und auf diese Staatsleistungen verzichten. Aber unter der Bedingung, dass das Geld nicht zu einer besseren Finanzierung der Staatshaushalte führen dürfte. Es sollte jährlich in einen Fonds fließen, aus dem man unbürokratisch Menschen in Not, Flüchtlingen oder Behinderten helfen könnte. Über den Einsatz dieser Mittel sollte ein paritätisch besetztes Gremium aus den wichtigsten Vertretern der Gesellschaft entscheiden.

Gibt es Reaktionen der beiden Kirchen auf Ihre Idee?

Ich habe ihn mit Vertretern der katholischen Kirche diskutiert. Hier war wenig Bereitschaft zu erkennen. Die Argumentation war: Man könnte das in Bayern aufgrund der starken Finanzkraft der Diözesen gut machen, doch in Ostdeutschland seien viele Bistümer auf diese Leistungen angewiesen. Mein Gegenargument ist: Wo bleibt die gesamtkirchliche Solidarität? Die finanzstarken Bistümer könnten doch die armen Diözesen unterstützen. Das zweite Argument war: Man gibt nicht ohne Not Rechtspositionen auf.

Was meinen Sie dazu?

Man muss auch mal argumentativ Ballast abwerfen. Damit könnte man Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, was gerade angesichts der Missbrauchsdebatte mehr als nötig ist. Von der evangelischen Kirche weiß ich, dass der Vorschlag in der Synode der EKD einmal diskutiert worden ist – dann allerdings abgelehnt wurde.

Interview: Claudia Möllers

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