Mittenwald/Dorfen – Sie sitzen alle parat. Fesche Mädchen in Dirndl haben im Postkeller an großen Tischen Platz genommen. Noch sind sie alleine, die „Gungl-Malan“, wie sie in Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) genannt werden. Sie fiebern dem Einbruch der Dunkelheit entgegen. Von draußen ist bereits Musik zu hören. Ziehorgel und Gitarren erklingen. Auch eine Teufelsgeige ist darunter. Ein Lärminstrument mit Becken und Schellen. Maschkera mit Holzlarven und farbenfrohen Gewändern schreiten die Treppe zum Gasthaus nach oben. Ja, der Postkeller befindet sich in Mittenwald im ersten Stock.
Die Maskierten sind während den sogenannten „Gungln“ im Werdenfelser Land bis zum Faschingsdienstag auf den Straßen unterwegs. Sie wandern dann von Wirtshaus zu Wirtshaus, musizieren, tanzen, juchzen, „gehen Gungl“. Unzählige sind an diesen Faschingsabenden unterwegs, es werden jährlich mehr. Doch unterwegs sind sie nicht jeden Tag. Kein echter Maschkera lässt sich an den „halbheiligen Tagen“ Mittwoch, Freitag und Samstag sehen. In Mittenwald ist sogar der Agathentag am 5. Februar tabu. Das geht auf ein altes Gelübde von 1830 zurück, dem großen Marktbrand.
In der Brauereiwirtschaft geht es jetzt gesellig zu. Die Maschkera bitten die Damen zum Tanz. Erkannt werden wollen sie nicht. Sie verzerren ihre Stimme, sie klingt höher, falsch. Manche verstellen sogar ihren Gang oder tun so, als wenn sie nicht tanzen könnten – schließlich soll die Angebetete nicht wissen, welches Gesicht sich unter dem Stück Zirbenholz versteckt. „Jetzat nacha, tanz ma oan?“, fragt eine der fantasievollen Figuren, deren ursprünglicher Sinn das Austreiben des Winters ist. Sie steckt in einem langen, dunklen Mantel und trägt einen Hut mit reichlich Federn auf dem Kopf. Darunter ist das „Diachale“ um den Kopf gewickelt. Das wertvolle Seidentuch verhindert, dass die Haare zu sehen sind. Das wäre ein weiteres Erkennungsmerkmal.
Die Holzmaske des Maschkeras ist am Kinn und an der Nase leicht abgewetzt. Viele rauschige Abende hat sie erlebt und überlebt. „Manche von den Larven sind weit über hundert Jahre alt“, erzählt Schnitzer Georg Neuner aus Mittenwald. Der Geigenbauer hat sogar noch welche von seinem Urgroßvater. „Datiert von 1875 bis 1886.“ Diese sind bei den Gungln im Isartal natürlich nicht mehr zu sehen. Sie schlummern gut behütet in Vitrinen bei ihm zu Hause.
Doch nicht nur im Isartal fiebern die Faschingsnarren dem großen Finale entgegen. In den Startlöchern stehen auch in Dorfen (Landkreis Erding) die Hemadlenzen. Sie marschieren in weißen Hemden und schwarzen Zipfelmützen am Unsinnigen Donnerstag. Die 13 500-Seelen-Stadt steht dann kopf, wenn am Ende des Faschingsumzugs der Hemadlenz in Form einer Strohpuppe auf dem Dorfplatz verbrannt wird. Seit über 100 Jahren wird so dort der Winter ausgetrieben – ohne Unterbrechung. Denn obwohl während der Weltkriege Umzüge verboten waren, haben sich der Überlieferung nach trotzdem einige Dorfener nicht einschüchtern lassen und sind zum Hemadlenz geworden.
Nicht zuletzt wegen der steigenden Ballermann-Atmosphäre in jüngster Vergangenheit geriet die einstige Brauchtumsveranstaltung in die Kritik. Das Discozelt mit Party-Sound, das sogar die mitmarschierende Blasmusik übertönte, ist seit 2011 verboten. Auf Plakaten mit dem Motto „Sei Hemadlenz, kein Sauflenz“ wurden die Teilnehmer für einen bewussten Umgang mit Alkohol sensibilisiert.