München – Für die Polizisten in Fürstenfeldbruck ist es seit zwei Jahren Alltag: Wenn eine Abschiebung ansteht, beginnt ihr Dienst um 3 Uhr in der Nacht. Um 4 Uhr müssen sie im Ankerzentrum sein – in der Hoffnung, den abgelehnten Asylbewerber in seinem Zimmer anzutreffen. Das ist selten der Fall, viele abgelehnte Asylbewerber wissen, wann eine Abschiebung droht. Gelingt es doch, bringen sie den Mann oder die Frau zum Flughafen. Idealerweise nach München. Häufig starten die Flüge aber auch von Düsseldorf oder Frankfurt.
Und dann komme es meist zu ähnlichen Szenen, berichtet Michael Fischer, der stellvertretende Dienststellenleiter aus Fürstenfeldbruck. Entweder gebe es im Terminal so massiven Widerstand, dass sich der Pilot der Maschine weigert, die Menschen ohne Sicherheitsbegleitung mitzunehmen. Oder es würden plötzlich gravierende gesundheitliche Probleme auftreten. Fischer erinnert sich an einen Mann, der auf dem Rollfeld auf einmal über Herzprobleme klagte. Sie mussten ihn zurückbringen in die Unterkunft. Das sprach sich rum. Seit damals kommt es ständig zu angeblichen Herzproblemen am Flughafen. Auch in solchen Fällen weigern sich die Piloten, die Menschen einsteigen zu lassen, erklärt Fischer. Die Beamten müssen sie wieder zurückbringen. Je nach Strecke sind sie dann ein, zwei, manchmal sogar drei Tage ausgefallen – ohne dass jemand abgeschoben wurde. Das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, betont Fischer. Vergangenes Jahr gab es in Fürstenfeldbruck über 250 Rückführungs-Versuche – nur 21 Menschen sind tatsächlich in ein Flugzeug gestiegen. Für die ersten beiden Monate 2019 seien die Zahlen noch extremer, sagt er. 120 Versuche, zwei Rückführungen.
Das ist nicht nur in Fürstenfeldbruck ein Problem – sondern überall. Vor allem in den Orten, in denen es Ankerzentren gibt. „Wir haben nicht einen Beamten dazubekommen, seit es die Unterkunft gibt“, sagt Fischer. Dafür fallen seit Jahren regelmäßig Leute aus, die auch auf Streife oder für Kontrollen gebraucht würden. „Das Abschiebesystem funktioniert nicht“, betont er. „Und die Leittragenden sind die Polizisten – und die Bürger, weil wir andere Aufgaben zurückstellen müssen.“
„Als Polizei fühlen wir uns mit dem Problem völlig allein gelassen“, sagt Peter Schall, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Auch er berichtet, dass die bayerischen Polizeibeamten bei jedem zweiten Abschiebeversuch niemanden antreffen oder die Betroffenen vom Flughafen wieder mit zurücknehmen müssten. „Und dann klatschen die anderen Bewohner der Unterkunft noch Beifall.“ Diese Einsätze seien nicht nur sehr belastend, sondern auch sehr anstrengend. Zahlreiche Polizisten haben deswegen Überstunden aufgebaut. Die 150 bayerischen Polizisten, die sich wegen der versprochenen staatlichen Zulagen zu „Personenbegleitern Luft“ haben ausbilden lassen, warten noch auf das versprochene Geld. Die Zulagen müssen erst im Besoldungsgesetz verankert werden.
Die GdP hat wegen der Abschiebungen schon viele Gespräche mit Politikern geführt. „Am liebsten würde wir diese Aufgabe ganz abgeben“, sagt Schall. Aber die Bundespolizei alleine wäre damit auch überfordert. „Keiner hat eine Lösung“, sagt auch Michael Fischer. „Aber so kann es auf jeden Fall nicht weitergehen.“
Das Innenministerium kann nicht bestätigen, dass die Abschiebungen so häufig scheitern. Allein 2018 habe es mehr als 15 000 Abschiebungen und freiwillige Ausreisen in Bayern gegeben, betont ein Sprecher. Auch die geringe Aufgriffsquote decke sich nicht mit den Erfahrungen der Ausländerbehörden. Dennoch seien die Probleme der Polizei bei den Abschiebediensten bekannt. „Der Schluss daraus kann nur sein, dass wir noch konsequenter vorgehen müssen“, betonte Innenminister Joachim Herrmann. Deshalb baue Bayern die Zahl der Abschiebehaft-Plätze bis 2022 weiter aus.