München/Ansbach – 1,2 Tonnen Drogen, über 20 000 Abnehmer und mehr als 10 Millionen Euro Umsatz – dem Landeskriminalamt ist es mit der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach und der dortigen Staatsanwaltschaft gelungen, einen internationalen Händlerring zu zerschlagen, der neue psychoaktive Stoffe im großen Stil weltweit versendete.
Der mutmaßliche Kopf der Organisation ist ein 32-jähriger Wahl-Münchner, der die Substanzen in seiner Heimat Dinkelsbühl im Landkreis Ansbach und in angemieteten Privatwohnungen in München produzierte. Er führte in der Landeshauptstadt ein Luxusleben und gab an, im Monat über 60 000 Euro durch seine Drogengeschäfte zu verdienen. Auf die Spur kamen ihm die Ermittler, weil er den Ansbacher Polizisten kein Unbekannter war. „Er war bereits 2011 und 2013 wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz aufgefallen“, berichtete Michael Schrotberger, Oberstaatsanwalt in Ansbach. Sein eigener Übermut habe dazu beigetragen, den 32-Jährigen zu überführen. Als er damals verurteilt worden sei, habe er den Beamten prophezeit: „Ihr werdet schon sehen, ich werde noch ein ganz Großer.“
Einige Jahre später, im März 2017, entdeckten Polizisten in Nordrhein-Westfalen fünf Pakete, in denen sich insgesamt 87 Kilogramm synthetisch hergestellte Drogen befanden. Auffällig: Alle Pakete kamen von einem Absender aus dem Kreis Ansbach. Die dortige Polizei nahm die Ermittlungen auf und holte das LKA mit ins Boot, als die Dimensionen des Verfahrens deutlich wurden. Da die Ansbacher Ermittler den 32-Jährigen noch im Gedächtnis hatten, konnten sie ihn durch einen DNA-Abgleich überführen und im März 2018 festnehmen.
Neben dem Produzenten umfasste der Händlerring Verpacker, Kuriere, Administratoren und Finanzagenten. „Es laufen Ermittlungen gegen 42 Personen im Alter von 20 bis 68 Jahren“, sagte Schrotberger. „Der Produzent lieferte die Substanzen an Verpacker, die sie in Päckchen aufteilten und an Kunden verschickten.“ Über 30 seriös wirkende Onlineshops wurden dem Händlerring zugeordnet. Sogar ein Kunden-Support, der Reklamationen abwickelte und Werbeaktionen wie drei Päckchen zum Preis von zwei anbot, habe zum Drogenring gehört.
Obwohl die Substanzen in bunten Verpackungen über Onlineshops vertrieben werden, sind sie alles andere als harmlos. „Neue psychoaktive Stoffe ist ein Sammelbegriff für berauschende Mittel, für die es international noch keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen gibt“, erklärte Michael Uhl, Chemieexperte des LKA. „Am populärsten sind synthetische Cannabinoide.“ Sie können zu Herzkreislaufproblemen, Bewusstlosigkeit und zum Tod führen. „Weil die Cannabinoide inhomogen zusammengesetzt sind, gibt es unterschiedliche Wirkungen“, sagte Uhl. Man könne von einem toxischen Roulette sprechen, je nachdem, wie viel Wirk- und Trägerstoff die Substanz enthalte.
Sechs Tatverdächtige, darunter auch der mutmaßliche Produzent, wurden wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz angeklagt. Sie erwarten mehrjährige Haftstrafen. Die Ermittlungen gegen weitere Beteiligte dauern an.