Plastikfreie Pionierarbeit in Bairawies

von Redaktion

Unverpackt-Läden findet man bisher fast nur in Großstädten. Mit „FreiZeit“ hat vor einem Jahr im 220-Seelen-Dorf Bairawies der erste Unverpackt-Laden des Oberlandes eröffnet. Doch die Kunden gewöhnen sich nur langsam ans verpackungsfreie Einkaufen.

VON ALICIA GREIL

Bairawies – Ratlos steht die ältere Dame den Glasröhren mit Cornflakes und Haferflocken gegenüber. Dann fragt sie Jasmin Seitner-Spangenberger, ob es sich bei der Vorrichtung um ein Frühstücksregal handelt. Die 32-Jährige erklärt der Kundin, dass die mit Müslisorten gefüllten Glasröhren zum verpackungsfreien Einkaufen gedacht sind. Noch heute muss sie über diesen Vorfall schmunzeln. Die Seniorin war vor einem Jahr eine der ersten Kundinnen im Unverpackt-Laden „Freizeit“ – ratlose Gesichter sind für die junge Unternehmerin aber nach wie vor keine Seltenheit.

„Man merkt sofort, ob die Käufer zum ersten Mal in einem Unverpackt-Laden sind“, erzählt sie. Während erfahrene Kunden zielstrebig auf die Glasröhren zusteuern, ihr mitgebrachtes Gefäß unter die Öffnung halten und mit sicheren Griffen die Portionierer bedienen, wissen Neulinge meist nicht so recht, wie sie die Lebensmittel abfüllen sollen. „Deshalb schaue ich, dass jeder, der zum ersten Mal bei mir einkauft, eine Begleitung bekommt“, sagt Jasmin Seitner-Spangenberger.

Seit März 2018 betreibt sie den Unverpackt-Laden im Örtchen Bairawies (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen), zu dem auch ein Café gehört. Kartoffeln in großen Körben, ein Eisenfass voll mit Olivenöl aus Griechenland und essbare Strohhalme aus Apfelfasern – das Sortiment des Unverpackt-Ladens ist abwechslungsreich und mitunter ungewöhnlich. Im Café gibt es selbstgebackenen Kuchen und kleinere Gerichte. Fünf Tage die Woche ist geöffnet, Montag und Dienstag sind Ruhetage. „Es ist zwar viel Arbeit, aber gute Arbeit“, sagt die Gastronomin.

Der Unverpackt-Laden ist für die 32-Jährige nicht nur Arbeit, er ist eine Herzensangelegenheit. „Ich habe mit Ende 20 begonnen, mich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen“, erzählt die junge Unternehmerin. Heute achtet sie darauf, so gut es geht, auf Plastik zu verzichten. Jeder Einzelne sei dafür verantwortlich, dass die nächsten Generationen auf unserem Planeten noch leben können, sagt Jasmin Seitner-Spangenberger. „Deshalb müssen wir jetzt etwas verändern.“ Das will die 32-Jährige auch mit ihrem Unverpackt-Ladenlokal. Deshalb können Kunden bei ihr Reis, Nudeln und Körner in mitgebrachte Behälter abfüllen. Für Spontankäufe gibt es im Ladencafé Papiertüten und Gläser.

Als Jasmin Seitner-Spangenberger das „FreiZeit“ eröffnete, waren die Reaktionen gemischt. „Manche haben sich gefreut, dass sie jetzt auch im Oberland verpackungsfrei einkaufen können“, erzählt die 32-Jährige. Andere waren skeptisch. Ein Unverpackt-Laden am Dorf? Von vielen sei sie für ihre Idee belächelt worden, sagt sie. Mittlerweile hat sich das Café jedoch zu einem beliebten Treffpunkt im Dorf gemausert. Der Unverpackt-Laden rechne sich bisher aber nicht. „Er ist liebevoll gesagt der Klotz am Bein“, räumt Jasmin Seitner-Spangenberger ein. „Etwa zehn Kunden kommen jede Woche.“ Ist Bairawies noch nicht bereit, sich vom Plastik zu verabschieden? „Ich glaube es liegt vor allem daran, dass viele zum Einkaufen nach Geretsried fahren weil dort alles direkt in greifbarer Nähe ist“, vermutet die Betreiberin. Discounter, Bäcker, Metzger und Drogeriemärkte auf einem Fleck – damit kann ihr Sortiment nicht mithalten. Die meisten Konsumenten würden ihren Wocheneinkauf lieber auf einmal erledigen, und nicht noch extra für einzelne Produkte in den Bairawieser Unverpackt-Laden kommen wollen – Nachhaltigkeit hin oder her.

Dennoch möchte Jasmin Seitner-Spangenberger weiter unverpackte Lebensmittel anbieten. Um mehr Kunden in ihren Laden zu locken, will die 32-Jährige im Veranstaltungsbereich mitmischen. „Am Samstag wird ab 17 Uhr ein sogenannter Klimasalon stattfinden“, verrät sie. Eingeladen sind Referenten vom Bund Naturschutz und von der Energiewende Oberland. Geplant sind zudem ein Workshop, bei dem Duschgel und Shampoo selbst hergestellt wird und eine Müllsammelaktion an der Isar, nach der es zur Belohnung Kaffee und Wurstsemmeln geben soll.

„Natürlich ist die Welt noch nicht gerettet, nur weil wir uns bemühen, Müll zu reduzieren“, sagt Jasmin Seitner–Spangenberger. Der Umschwung müsse von oben, von der Politik und Wirtschaft kommen. „Aber wir müssen ihnen ein Zeichen geben“, fordert die 32-Jährige. Mit ihrem Unverpackt-Laden macht sie im beschaulichen Bairawies den Anfang.

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