Verdacht gegen Polizist weitet sich aus

von Redaktion

Der im März wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs verhaftete Polizeibeamte kommt aus dem Landkreis Starnberg. Der 58-Jährige ist Vorsitzender des Feuerwehrvereins Tutzing und war aktiv beim Kreisjugendring. Die Gemeinde ist schockiert.

VON PETER SCHIEBEL

Tutzing – Es ist gut zwei Wochen her, dass das Landeskriminalamt Bayern und die Staatsanwaltschaft München II den Fall öffentlich machten: Ein Polizeibeamter war am 15. März unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs verhaftet worden. Er soll vor über 15 Jahren sexuelle Handlungen mit einem Jugendlichen verübt haben. Darüber hinaus teilte ein Vater mit, dass sein Sohn während eines Schülerpraktikums bei der Polizei einen Beamten kennengelernt habe, der ihm nach dem Praktikum pornografische Fotos und Filme geschickt haben soll (wir berichteten). Der 58-Jährige sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Die Ermittlungen hätten nun „weitere Verdachtsfälle“ ergeben, sagte ein Sprecher des LKA gestern. „Wir haben mehrere mutmaßliche Opfer identifizieren können, aber wir haben noch nicht mit allen gesprochen.“ Einen Antrag auf Haftprüfung habe die Verteidigung derweil wieder zurückgezogen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft unserer Zeitung.

Unter Schock steht Tutzing, die Heimatgemeinde des Mannes. Dort war der 58-Jährige seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des Feuerwehrvereins, zuvor war er zwölf Jahre lang Jugendwart. Auch in anderen Vereinen engagierte er sich. Im Kreisjugendring Starnberg fungierte der Mann als Betreuer auf Ferienfreizeiten – und saß für den Verein bis jetzt als Vertreter im Jugendhilfeausschuss des Kreistages. „Wir können es nicht fassen“, sagt Tutzings Feuerwehrkommandant Markus Kuisl, der den Verdächtigen seit 40 Jahren kennt. Es habe in all den Jahren „nicht ansatzweise“ einen Verdacht gegeben. „Recherchen stehen uns als Feuerwehr nicht zu“, sagt Markus Kuisl. „Aber wir beantworten natürlich alle Fragen der Ermittler.“ Zusammen mit der Gemeindeverwaltung hatte die Feuerwehr gestern Abend zu einem Krisentreffen ins Tutzinger Gerätehaus eingeladen – darunter auch die etwa 20 Mitglieder der Jugendfeuerwehr und deren Eltern.

Auch ein Mitarbeiter der Opferschutzorganisation Weißer Ring sollte kommen, wie Bürgermeisterin Marlene Greinwald erklärt. „Wir sind vollkommen schockiert“, sagt sie. Nun gelte es, transparent mit dem Fall umzugehen und möglichen Opfern die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Neben dem Weißen Ring habe sie auch mit der Beratungsstelle Netz gegen sexuelle Gewalt aus Weilheim und mit der Einrichtung „Kibs“ Kontakt aufgenommen, die sich um Buben und junge Männer kümmert, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Greinwalds Gedanken sind aber auch bei der Ehefrau und den beiden erwachsenen Töchtern des Mannes. „Vielleicht schaffen wir es in einem Ort wie Tutzing, dass die Familie hier weiterleben kann“, sagt sie. „Die Familie ist auch Opfer.“

Auch der Kreisjugendring ist nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Mann aktiv geworden. Etwa acht Jahre lang habe er als Betreuer die Ferienfahrten in den Pfingstferien betreut, an denen jeweils etwa 20 Mädchen und Buben im Alter von 14 bis 17 Jahren teilgenommen haben, berichtet Vorsitzender Claus Piesch. Der Verein habe alle Eltern angeschrieben – „zum jetzigen Zeitpunkt sind uns keinerlei Fälle bekannt, die den Kreisjugendring oder unsere Freizeiten betreffen“.

Knapp 20 Jahre lang hatte der Beamte seinen Arbeitsplatz bei der Polizeiinspektion Starnberg. Inspektionsleiter Bernd Matuschek will sich mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu dem Fall äußern. Allerdings dürften die Kollegen genauso schockiert sein wie Freunde, Kameraden und Bekannte.

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