Projekte platzen wegen Bau-Boom

von Redaktion

Holzkirchen will eine Kita erweitern lassen, für den Bau findet die Gemeinde aber keine Firma. Vielen Kommunen geht es ähnlich: Projekte müssen warten oder werden begraben, weil die Auftragsbücher von Bau- und Handwerksbetrieben voll sind.

VON KATHRIN BRACK UND BETTINA STUHLWEISSENBURG

Holzkirchen/München – Zwei neue Räume sollten an der Frühlingsstraße in Holzkirchen (Kreis Miesbach) entstehen. Modulare Holzbauweise, zwei Stockwerke, Platz für bis zu 60 Kinder. Platz, den die Gemeinde dringend braucht: Es fehlen Kita-Plätze. 2,5 Millionen Euro wollte die Kommune in den Anbau investieren. Doch die Gemeinde findet keine Firma, die den Bau umsetzen möchte. Auch im zweiten Ausschreibungsverfahren habe sie „keine verwertbaren Angebote erhalten“, bedauert Bürgermeister Olaf von Löwis (CSU).

Die Gemeinden müssen Bauprojekte wie einen Kita-Anbau öffentlich ausschreiben und dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erteilen. Doch die Auftragsbücher vieler Betriebe sind übervoll. „Die Firmen winken ab und geben gar nicht erst ein Angebot ab, weil sie ausgebucht sind“, sagt Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag. Bei Großprojekten mit hohem Auftragsvolumen seien der Neubau oder die Sanierung einer Kita vergleichsweise unattraktiv. Das Ergebnis: „Viele Kommunen leiden darunter, dass auf ihre Ausschreibungen hin gar keine Angebote eingehen – oder überteuerte. Die haben echte Probleme, ihre Gebäude saniert oder gebaut zu bekommen“, so Schober weiter.

Dass die Lage ganz so dramatisch ist, glaubt Jens-Christopher Ulrich von der Handwerkskammer für München und Oberbayern nicht. „Der Bau einer Kita oder eines Kindergartens ist kein kurzfristiges Projekt. Ein Gemeinderat beschließt ja nicht heute, dass morgen eine Kita gebaut werden soll“, meint er. Dass andere Projekte attraktiver sein sollen, will er nicht gelten lassen: „Natürlich ist die öffentliche Hand ein guter Auftraggeber, der auch fürs Handwerk wichtig ist. Wenn die Projekte da sind und ich Kapazitäten habe, werde ich mich auch auf so eine Ausschreibung bewerben. Eine Ausschreibung ist aber auch mit einem gewissen Aufwand verbunden, das kostet Zeit – und die haben viele Betriebe einfach nicht.“

Denn, das räumt Ulrich ein, die Auftragslage der bayerischen Betriebe ist gerade sehr gut, „vor allem im Bau- und Ausbauhandwerk“. Da könne es passieren, dass es länger dauert, eine Firma zu finden, die Kapazitäten hat. „Ich glaube aber nicht, dass deswegen Projekte auf Jahre nicht realisiert werden können“, sagt Ulrich. „Es kann natürlich sein, dass sich kommunale Projekte verzögern. Das hilft den Leuten, die auf einen Kita-Platz warten, nicht, dafür habe ich Verständnis.“

Den Betrieben fehlen schlicht und ergreifend die Fachkräfte, um zusätzliche Aufträge anzunehmen. „Die Firmen jammern zu Recht“, findet auch Wilfried Schober. Die momentane Situation sei verzwickt, eine Lösung nicht in Sicht. „Wenn die Wirtschaft so gut läuft, dann gelten halt einfach Angebot und Nachfrage. Bis die Fachkräfte kommen und eingearbeitet sind, kann es durchaus sein, dass der Abschwung eintritt.“

Anzeichen für den prognostizierten Abschwung sieht man bei der Handwerkskammer noch nicht: „Das Handwerk folgt möglichen Entwicklungen in der Industrie mit Verzögerung. Wenn’s der Industrie schlechter geht, kommt das auch irgendwann im Handwerk an.“

Wilfried Schober macht nicht nur den Fachkräftemangel für das Dilemma verantwortlich. „Da rächt sich, dass heutzutage alle Abitur machen wollen und wenige eine Ausbildung im Handwerk machen. Das ist ein Dilemma. Das Handwerk hat zwar goldenen Boden, gilt aber als unattraktiv.“ Den Gemeinden bleibe nichts anderes übrig, als Projekte aufzuschieben oder erneut auszuschreiben.

Die Holzkirchner verzichten auf eine weitere Ausschreibung. Es wäre schon die dritte. 180 000 Euro Planungskosten schlagen bereits zu Buche, der Schadenersatz für Firmen, die bereits Teilaufträge erhalten hatten, wird etwa 10 000 Euro betragen. In der Gemeinde hoffen sie nun, dass sie wenigstens für zwei andere Kita-Projekte Baufirmen finden.

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