Regensburg – Joachim Wolbergs’ neugegründeter Verein heißt „Brücke“ – und mit ihm will der suspendierte Regensburger Ex-Oberbürgermeister alle Brücken zur SPD abbrechen. Der 48-Jährige muss sich seit sechs Monaten wegen Korruptionsverdachts vor Gericht verantworten. Er soll einem Bauunternehmer im Gegenzug für fast eine halbe Million an Wahlkampfspenden, Sponsoring des örtlichen Fußballvereins sowie private Vorteile den Zuschlag für ein städtisches Grundstück verschafft haben. Wolbergs beteuert vehement seine Unschuld.
Die Affäre und die bekanntgewordenen Verquickungen zwischen Politik und Bauwirtschaft erschüttern Regensburg seit 2016. Kurzzeitig saß Wolbergs in U-Haft. Auch gegen seinen Amtsvorgänger Hans Schaidinger und den Landtagsabgeordneten Franz Rieger (beide CSU) wird ermittelt.
Ein Urteil in dem Prozess soll frühestens Ende Juni fallen. Wolbergs hatte immer angekündigt, 2020 bei der Kommunalwahl wieder kandidieren zu wollen. Die Vereinsgründung ist nun sein erster Schritt, um wieder in sein Amt zu kommen. Bei der Gründung des Vereins fand er vergangene Woche bereits 70 Unterstützer, darunter zahlreiche SPD-Mitglieder. Ihnen und Wolbergs droht nun der Ausschluss aus der Partei. Das haben der Stadt- wie auch der Landesverband bereits kundgetan – ein Automatismus, wenn man mit einer Konkurrenzliste antritt, heißt es.
Die Mitglieder seien „keine Wolbergs-Jünger“, beschwichtigt der 48-Jährige. Es handle sich um eine „Bewegung engagierter Bürger“. Allerdings wurde Wolbergs mit 70 von 70 Stimmen zum Vorsitzenden des Vereins gewählt, dessen erklärtes Ziel die Beteiligung an Stadtrats- und Oberbürgermeisterwahlen ist.
Auch lässt Wolbergs durchblicken, dass er sich „nicht erst gestern“ entschieden habe, der SPD nach 31 Jahren den Rücken zu kehren. Zu viele Verwerfungen gab es – bis hinauf zur Landesebene. Die örtliche SPD hatte nach Wolbergs’ Inhaftierung erklärt, dass eine Rückkehr als OB „nicht mehr möglich“ sei. Der Schatzmeister der Bayern-SPD hatte die Ermittlungen überhaupt erst ins Rollen gebracht.
Wolbergs handle mit der Gründung eines „Fanclubs“ nur folgerichtig, sagt Sebastian Koch, Vorsitzender der Stadt- und Landkreis-SPD. Schließlich habe sich bereits klar abgezeichnet, dass die Partei nicht mehr bereit sei, „einen unreflektierten Personenkult“ zu betreiben, wie ihn Wolbergs erbeten habe. Koch favorisiert die Zweite Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer als OB-Kandidatin. Sie ist seit Wolbergs’ Suspendierung im Januar 2018 amtierendes Stadtoberhaupt und dürfte die Mehrheit der Partei auf ihrer Seite haben. Doch selbst Stadträte bekunden ihre Sympathie für Wolbergs – eine Zerreißprobe für die SPD.
Vieles hängt nun von der Entscheidung des Gerichts ab. Sollte Wolbergs zu einer Strafe von unter einem Jahr verurteilt werden, stünde einer erneuten Kandidatur nichts im Weg. Sowohl die CSU als auch die Grünen, denen ebenfalls Chancen auf den OB-Posten zugerechnet werden, befinden sich derweil noch auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten – die prominentesten Gesichter beider Parteien haben aber bereits abgewunken. So könnte es – angesichts von mindestens acht OB-Kandidaten, die 2020 antreten werden – durchaus dazu kommen, dass sich Wolbergs und Maltz-Schwarzfischer am Ende in einer Stichwahl gegenüberstehen.
Die Sichtweise, dass er angesichts seiner Nähe zu Bauträgern unabhängig vom Strafrechtlichen nicht für das Amt geeignet sein könnte, weist Wolbergs als „Missachtung“ von Rechtsstaat und Wählern zurück.