VON SUSANNE BREIT-KESSLER*
Der Karfreitag fällt lästig. Man darf nicht tanzen gehen. Da bleiben, kalkuliert man die anderen „Stillen Tage“ mit ein, nur noch 356 Tage im Jahr zum Party machen. Eindeutig zu wenig. Unsere österreichischen Nachbarn haben das Problem mit dem Karfreitag auf ihre Weise gelöst. Bisher war er in der Alpenrepublik ein Feiertag für Angehörige der evangelischen Kirche, der evangelisch-methodistischen Kirche und für Altkatholiken. Rund 300 000 Menschen konnten sich also frei besinnen – und bekamen Feiertagszuschläge, wenn sie am Karfreitag arbeiteten. Die anderen nicht.
Ein Privatdetektiv klagte dagegen – und bekam Recht beim Europäischen Gerichtshof. Der entschied: Wenn Feiertag, dann für alle. Aber Österreichs Wirtschaft jaulte verzweifelt auf. Es gibt doch eh schon so viel Freizeit! Vielleicht einen halben Feiertag für jeden ab 14 Uhr am Karfreitag? Die Regierung fand eine geistfreie Lösung: Der Karfreitag ist ein „persönlicher Feiertag“. Den kann man nehmen, wann man will – als einen ganz normalen Urlaubstag. Weg ist er – der Karfreitag. Und zwar für alle. Tanzen kann man in Österreich jetzt bis zum Umfallen.
Gut? Nein, schlecht. In Krisenzeiten wird regelmäßig nach Ethik und Moral gerufen. Danach langt es wieder mit den Werten. Die Feiertage, die wir haben, sind heilsame Unterbrechungen des Alltags. Besonders der Karfreitag. Er widerspricht vehement einer Gesellschaft, in der man Sieger daran festmacht, dass sie jung, schön, vital, materiell erfolgreich und stets bester Stimmung sind. Der Karfreitag richtet das Augenmerk auf Höhen und Tiefen menschlicher Existenz, auf Elend, Not und Tränen. Der Karfreitag gibt dem ganzen Leben die Ehre. Er ist ein Tag der Wahrheit.
Der Schutz dieses Tages schafft auch keinen Freizeitpark für die Christenheit. Der Karfreitag dient der seelischen Erhebung aller, wie das Grundgesetz klug formuliert. Und das braucht ein Christ genauso wie der Atheist, die Humanistin, der Skeptiker oder die Muslima: Zeiten der Ruhe, der Selbstfindung. Zeiten, in denen man sich besinnt auf die eigene Verantwortung für diese Gesellschaft und das, was in der Welt sonst so passiert. Da ist nicht viel mit Party. Karfreitag – und die Notwendigkeit, ernst zu sein. Wer das kapiert, versteht etwas von Menschenwürde.
*Susanne Breit-Kessler ist noch bis 1. Dezember evangelische Regionalbischöfin für München und Oberbayern. Künftig schreibt sie alle zwei Wochen eine Kolumne im Bayernteil.
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