„Welches Schweinderl hätten’s denn gern?“ – diesen Spruch von Robert Lembke (1913-1989) kennen (ältere) Generationen von Fernsehzuschauern. Mit seiner Sendung „Was bin ich?“, einem Quiz mit Beruferaten, war er fast 30 Jahre auf Sendung.
Nicht so bekannt ist eine Episode aus dem Leben Lembkes, der eigentlich Robert Emil Weichselbaum hieß und dessen Vater Jude war. Sie spielt in Fürholzen, einem Dorf im Landkreis Freising, wo der als „Halbjude“ verfolgte Lembke gegen Ende des Krieges untertauchte. Viele Dorfbewohner wusste davon, alle hielten still. Der Ortschronist Ernst Keller hat die geheime Geschichte durch Befragung von Zeitzeugen recherchiert. Unter ihnen war auch Resi Thalmeier, die spätere Haushälterin von Lembke.
Lembke tauchte im September 1944 in Fürholzen auf. Die Bauern hielten ihn erst für einen desertierten Soldaten, doch Lembke erzählte ihnen die wahre Geschichte: Während sein Vater 1936 nach Großbritannien emigrieren konnte, wurde er erst zur Luftwaffe eingezogen, ehe er bei der IG Farben in Dresden arbeitete – oder arbeiten musste. Aus unklaren Gründen kam Lembke nach München, wo er eine günstige Gelegenheit nutzte und nach Fürholzen floh. Fürholzen deshalb, weil seine Frau Mathilde Lembke (genannt Heidi), mit der er seit 1937 verheiratet war, zusammen mit seiner kleinen Tochter Ingrid bereits seit einiger Zeit bei ihrem Onkel, dem „Lammer-Bauern“ Eberhard Berthold, wohnte.
Für Lembke begann nun, so Keller, „ein gewagtes Doppelleben“: „Für die im Dorf regelmäßig verkehrende SS spielte er einen Evakuierten. Auch die Leute der Flakstellung an der Autobahn, bei denen sich der „freundliche Herr aus München“ regelmäßig über die Lage informiert, ahnen nichts. „Lembke bewegte sich frei im Haus und wurde von den Nachbarn unterstützt“, so Keller. „Nur wenn Soldatentransporte durch das Dorf ziehen, versteckt er sich in einem Bretterverschlag.“ Lembke geht auch ins Dorfwirtshaus und hilft Bauern beim Holzhacken. Vielen ist bewusst, dass Schweigen Mitwisserschaft bedeutet. „Wir wären alle erschossen worden oder nach Dachau gekommen“, ist die Haushälterin auch später noch überzeugt.
Am 29. April 1945 rollen die ersten Panzer in Fürholzen ein – sie biegen von der nahen Autobahn ab. Aus den Häusern hingen weiße Fetzen. Lembke und eine ihm Vertraute hatten das Szenarium vom Kirchturm aus beobachtet. Als sie wieder herabgestiegen waren, stürmten von allen Seiten Soldaten auf sie zu, worauf er zu seiner verängstigten Begleiterin in bayerischem Dialekt gesagt haben soll: „Jetz‘ bleib ganz ruhig, i ko Englisch, des kriang‘ ma scho.“ Und so war es auch. Lembke sprach die GI‘s ganz ruhig an. Er sagte auf Englisch, dass kein Militär im Dorf sei und niemand auf einen Amerikaner schießen werde, dafür verbürge er sich. Einem Offizier aber reichte das nicht. Er setzte ihm seine Pistole an den Kopf und forderte ihn auf, den Ortsführer zu holen. Als dieser eingetroffen war, befahl er den beiden Deutschen, dem US-Militärkonvoi voranzugehen, der sich nun langsam auf der Dorfstraße in Gang setzte. Wäre auch nur ein Schuss gefallen, hätte es böse enden können. Aber es blieb ruhig. Kurze Zeit später rettete Lembke sogar noch einen 21-jährigen Gebirgsjäger, der in sein Heimatdorf Fürholzen zurückgekehrt war und aufgrund seiner Uniform mit dem Erschießen bedroht wurde.
Einige Tage später verließ Lembke das Dorf auf dem Fahrrad. Er baute mit anderen wie Hans Habe und Erich Kästner die „Neue Zeitung“ in München auf, ging 1949 zum Bayerischen Rundfunk, wo er bis zum Chefredakteur aufstieg. Und nebenbei moderierte er „Was bin ich“. Der Kontakt zum Dorf, anfangs noch vorhanden, brach ab.
Merkwürdigerweise hat Lembke, hier ganz ähnlich wie der TV-Entertainer Hans Rosenthal, seine jüdische Herkunft nie publik gemacht, wie er überhaupt über sein Überleben in der NS-Zeit schwieg – warum auch immer. So sind den Fernsehzuschauern von damals wohl eher diverse Zitate Lembkes in Erinnerung. Eines trifft auf ihn sicher nicht zu: „Anerkennung ist eine Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern gedeiht.“ DIRK WALTER