Tutzing – Dicke Klostermauern in einem fröhlichen Gelbton, eine schwere Holztür an der Pforte, hinter der eine lächelnde Schwester Gäste empfängt – das Kloster der Missions-Benediktinerinnen in Tutzing (Kreis Starnberg) ist ein beeindruckender und zugleich einladender Ort. 65 Ordensschwestern sind hier zuhause, dennoch ist es im Inneren des altehrwürdigen Gebäudes auffallend ruhig. Doch die Stille trügt. Das Leben im Kloster ist abwechslungsreich.
So kommen immer wieder Gäste für eine Woche zu den Benediktinerinnen zu stillen Tagen oder Exerzitien ins Gästehaus. „Bei Exerzitien verbringen die Gäste die Tage im Schweigen und bedenken an Hand von Bibelstellen ihr Leben und ihre Gottesbeziehung“, erklärt Schwester Ruth Schönenberger, die das Priorat in Tutzing leitet. Sie begleitet die Exerzitien und betreut junge Frauen, die sich für ein Leben als Ordensschwester interessieren und deshalb am „Kloster auf Zeit“ teilnehmen.
Neben diesen speziellen Anlässen sind die Betten des Gästehauses zu Ostern jedes Jahr mit Besuchern belegt. Im Refektorium nehmen die Schwestern mit ihren Gästen am Gründonnerstag das Agape-Mahl ein. Serviert werden in Anlehnung an das jüdische Mahl traditionelle Speisen wie Matzen, also ungesäuertes Brot, und Lammkeule. „Die Symbolik dieser Speisen erklären wir unseren Gästen“, erzählt Schwester Ruth.
Ostern feiern die Ordensschwestern traditionell, doch in anderen Bereichen wünschen sie sich einen Umschwung. „Frauen sollten genauso wertgeschätzt werden wie Männer“, findet Schwester Ruth. „Es geht darum, sich einander auf Augenhöhe zu begegnen.“ Dass Frauen einen geringeren Stellenwert haben als Männer, sei nicht nur ein kirchliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt die Ordensfrau. „Es zieht sich durch fast alle Kulturen, dass Männer denken, sie stünden über Frauen“, kritisiert die Priorin. „Ich sehe aber keinen Grund, der es rechtfertigt, Frauen von vielem auszuschließen.“
Die Bibel stützt ihre Meinung. So sind Frauen in der Heiligen Schrift Schlüsselfiguren. Es waren Frauen, die das leere Grab von Jesus und somit seine Auferstehung als Erste entdeckt und verkündet hatten. Eine Sonderrolle hat auch Maria, als jungfräuliche Mutter Jesu. Angesichts dieser Tatsachen ist es für Schwester Ruth unverständlich, dass Frauen in der Kirche weniger wertgeschätzt werden als Männer.
„Auch Frauen sollen die Priesterweihe erhalten können“, findet Schwester Ruth. Sie wünscht sich zudem, dass Frauen zu kirchlichen Leitungsämtern zugelassen werden. „Man muss Leitungsämter mit Personen besetzen, die kompetent sind und das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun“, sagt die Priorin. „Frauen machen so viel in der Kirche, warum nicht auch in der Leitung?“
Die Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche gibt es schon lange. Bereits im Zweiten Vatikanischen Konzil kam das Thema zur Sprache. Doch warum hat es so lange gedauert, bis Frauen anfingen, sich für Gleichberechtigung in der Kirche einzusetzen? „Vielleicht sind wir zu brav, zu still und vielleicht haben wir um des lieben Friedens willen so lange nichts getan“, vermutet die Ordensfrau. „Doch derzeit gerät vieles in Bewegung. Frauen vernetzen sich überall.“
In Münster (Nordrhein-Westfalen) haben Frauen einen Kirchenstreik angestoßen. Sie wollen vom 11. bis 18. Mai alle kirchlichen Ämter niederlegen und keine Kirche betreten. Ihre Geschlechtsgenossinnen rufen sie auf, es ihnen gleich zu tun. „Die Veränderungen, die wir anstreben, müssen sicher von Frauen angestoßen werden“, sagt Schwester Ruth bestimmt. Aber sie erlebt auch Männer, die die Stellung der Frau in der Kirche verbessern wollen.
„Es geht darum, Veränderungen in einem Miteinander umzusetzen“, sagt Schwester Ruth. Spricht sie über das, was sich ändern soll, ist in ihrer Stimme kein Ärger, kein Zorn wahrzunehmen. Stattdessen erklärt sie ruhig und sachlich ihre Sichtweise. „Männer und Frauen sind verschieden, der weibliche Teil kommt in der Kirche derzeit nicht zur Geltung. Ich würde mir eine weiblichere, mütterliche Kirche wünschen. Diese Veränderung wird ein langer und mühsamer Prozess“, ist sich Schwester Ruth sicher. Dennoch sollten Veränderungen jetzt konkret in Angriff genommen werden.
„Die Rolle von Frauen in der Kirche hat sich über einen langen Zeitraum geschichtlich entwickelt“, sagt Schwester Ruth. „Nun kann sie sich in eine andere Richtung entwickeln.“ Trotz ihres Wunsches nach Veränderung halten die Missions-Benediktinerinnen auch an Traditionen fest. Vigilfeier, Osternacht und Osterhochamt feiern die Ordensfrauen wie jedes Jahr im gewohnten Ablauf. Manche Traditionen sind eben nicht ohne Grund altbewährt.