Handy-Mast hinter der Kamin-Attrappe

von Redaktion

Funklöcher will fast niemand. Mobilfunkmasten aber auch nicht. Hauseigentümer und Mobilfunkanbieter haben nun eine „Lösung“ gefunden.

VON VANESSA KÖNEKA

Würzburg – Wer es nicht weiß, ahnt es nicht: Hinter dem unscheinbaren Schornstein auf einem Wohn- und Geschäftshaus am Würzburger Ringpark verbirgt sich eine Mobilfunkantenne. Bei Bauarbeiten war sie kurz sichtbar. Dann enthielt sie ihren Tarnmantel wieder. Die Camouflage-Antenne ist so unauffällig, dass selbst Menschen in nächster Nähe sie offenbar kaum wahrnehmen. Die privaten Bewohner des fünfstöckigen Gebäudes zeigen sich teils überrascht. „Im Keller ist uns die Anlage aufgefallen“, sagt die 21-jährige Amelie Erhard. Mit dem Wissen sei der Blick aufs Dach witzig. „Es wäre schon ein sehr hoher Kamin.“

Wer mit aufmerksamem Blick schaut, merkt schnell: Die ungewöhnlich hohen Kamine gibt es auf mehreren Häusern. In vielen Städten. Und Kamin-Attrappen sind nur eine Möglichkeit, um Funkanlagen zu kaschieren: Bäume, Palmen, gar Kirchen-Kreuze können in Wahrheit ein Sendemast sein. „Das Kamin-Design ist Standard“, sagt der Münchner Ingenieur Hans Ulrich, der Kommunen zur Standortwahl berät. Aber möglich sei alles – ähnlich wie beim Kulissenbau im Theater. Zig Meter hohe falsche Bäume gibt es vor allem im Ausland. Der Münchner Fotograf Robert Voigt hat den „New Trees“ eine eigene Serie gewidmet. Seine Fotos aus den USA zeigen auch vermeintliche Wassertürme und Flaggenmasten. In Deutschland verbergen sich Antennen eher in realen Gebäuden wie Kirchtürmen. Als Beispiele für „architektonische Kunst“, bei der Antennen ins Landschaftsbild passten oder im Ausnahmefall gar nicht zu erkennen seien, nennt Vodafone: den Passauer Rathausturm, das Schloss Hohenkammer im Landkreis Freising, Getreide-Silos und in Freizeitpark-Attraktionen eingebaute Antennen. Nur zehn Prozent der Stationen in Bayern seien freistehende Masten.

Die Deutsche Funkturm, eine Tochtergesellschaft der Telekom, die Funkstandorte baut und vermarktet, schätzt, dass in realen Gebäuden versteckte Antennen ebenso häufig sind wie die kamintypischen Kunststoff-Ummantelungen. Eine dritte Möglichkeit sei, Antennen in der entsprechenden Umgebungsfarbe anzustreichen. „Wenn wir die Wahl hätten, würden wir immer einen einfachen, unversteckten Standort wählen“, sagt Sprecher Benedikt Albers. Wo ein Mobilfunkmast steht, können Bürger über eine Online-Karte der Bundesnetzagentur herausfinden. Hier sind Anlagen mit Strahlung von mindestens zehn Watt gelistet.

Übrigens: Hauseigentümer müssen Mieter auf Anlagen aufmerksam machen, sagt der Deutsche Mieterbund Bayern. Meist hätten Gerichte eine Mietminderung bisher aber verneint. Bewohnerin Amelie Erhard fühlt sich durch die Antenne über ihrem Kopf auch nicht beeinträchtigt: „In Städten ist Mobilfunk ja normal.“

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