Insektenschutz auf kleinem Raum

von Redaktion

Beim Artenschutz sind Landwirte, aber auch Kommunen und Privatleute gefragt. Seit dem Artenschutz-Volksentscheid rührt sich blütentechnisch einiges – auf kommunalen Grünstreifen und den Balkonen vieler Städter.

VON NORA LINNERUD

München – Blühende Magerwiesen statt Zierblumen in Reih und Glied braucht es, damit das Insektensterben nicht weiter voranschreitet. Da ist sich nach dem erfolgreichen Volksbegehren zum Artenschutz inzwischen auch die bayerische Staatsregierung sicher. Am Mittwoch wird dazu das neue Gesetz im bayerischen Landtag erstmals diskutiert und konkretisiert. Im Juli wird das neue Gesetz wohl in Kraft treten. Während die Staatsregierung noch diskutiert, schaffen einige bayerische Kommunen, Vereine und auch Privatleute aber selbst schon Fakten beim Artenschutz. Denn der geht auch auf kleinem Raum. Kommunen pflanzen Blühwiesen, Kleingärtner stellen Insektenhotels auf und Familien bestücken Balkone mit Bienen-freundlichen Blüten, statt mit Geranien, die für Insekten keinen Nutzen haben.

Was Bienen und Co. brauchen: „Duftpflanzen, Kräuter und Gewürze“, weiß Axel Joas. Er leitet das Obermenzinger Garten-Center Pflanzen-Kölle. Dass Bayerns Bevölkerung sich intensiver mit insektenfreundlicher Bepflanzung beschäftigt, merkt er im Markt deutlich, Kunden fragen nach geeigneten Balkonpflanzen. „Unser Kundenklientel waren bisher eher Frauen ab dem 45. Lebensjahr. Jetzt sind die Käufer plötzlich deutlich jünger, und es kommen viel mehr Familien mit Kindern hierher als in den vergangenen Jahren“, sagt Joas. Um die Suche nach geeigneter Bepflanzung zu erleichtern, gibt es im Markt Schilder: „Wir markieren Insekten-freundliche Pflanzen mit einem Bienensymbol.“

Friedrich Pils setzt sich nicht erst seit dem Volksbegehren für den Artenschutz ein, „wir fühlen uns seit Jahrzehnten damit verbunden“, so der zweite Vorsitzende des Kleingartenverbands München. 8500 grüne Parzellen verpachtet der Verband in München. Viel zu wenige, wenn es nach dem 69-Jährigen geht. München sei deutschlandweit Schlusslicht, was Kleingärten anbetrifft. Zum Vergleich: „Berlin hat doppelt so viele Einwohner, aber 67 000 Kleingartenparzellen“, sagt Pils – also fast acht Mal so viel Lebensraum für Insekten. In urbanen Kleingärten kämen doppelt so viele Arten vor wie in städtischen Grünflächen, etwa dem Englischen Garten. „Weil wir einfach mehr Blumen, Blüten, Insektenhotels und auch Totholz als Lebensraum bieten“, sagt Pils. Seine Gartler stellen Nistmöglichkeiten für Vögel, Igel und Insekten zur Verfügung. Ein ausgeglichenes Ökosystem verbessere die Ernte. Seit 15 Jahren verspricht die Stadt dem Verein neue Flächen für Parzellen, passiert sei bisher nichts. Pils mahnt: „Wollen wir hier eine Steinwüste?“

In den Kommunen rund um München will man das zumindest nicht. Wildblumenwiesen sollen beispielsweise jetzt vermehrt in der Gemeinde Hebertshausen bei Dachau entstehen. Bürgermeister Richard Reischl betonte die gemeindliche Vorbildfunktion beim Artenschutz. „Wir können nicht die ganze Verantwortung auf die Landwirte abschieben, es muss die ganze Gemeinschaft etwas beitragen“, sagte Reischl. Die Gemeinde will zudem für jedes neugeborene Kind einen Obst- oder Laubbaum pflanzen.

In Bad Tölz legt der Bauhof zusammen mit einer Landschaftsarchitektin schon seit drei Jahren Blühwiesen an. „Im letzten Sommer waren das 26 Flächen“, sagt Sprecherin Birte Otterbach. Es habe danach Nörgler gegeben, die eine angebliche Verwilderung der Stadt anprangerten. Das bringt die Stadt vom Artenschutzkurs aber nicht ab. „Für die haben wir die Schilder ’Bad Tölz schön wild’ angebracht“, so Otterbach. „Eine Magerwiese anzulegen ist recht aufwendig“, sagt Otterbach. Der Stadt ist es den Aufwand wert. „Auch wenn dort unerwünschte, wuchernde Pflanzen händisch entfernt werden müssen.“

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