Passau/Wittingen – Polizei-Großeinsatz gestern Vormittag in der Junkerstraße in Wittingen, einem 12 000-Einwohner-Städtchen im Kreis Gifhorn/Niedersachsen: In einem Mehrfamilienhaus sind zwei Frauenleichen gefunden worden. Die beiden toten Frauen sind um die 30 Jahre alt. Eine der beiden soll die Lebenspartnerin von Farina C. sein, sie lebte mit ihr in einer Wohnung. Nun sind die Frauen tot.
Farina C. war erst seit März in Wittingen gemeldet und im zivilen Leben Bäckerei-Verkaufsleiterin. Ihre Leidenschaft aber gehörte wohl der Mittelalter-Szene, dem bunten Treiben auf den Mittelalter-Märkten mit Gauklern und Ritterturnieren. Nun ist sie auf mittelalterlich anmutende Weise zu Tode gekommen und hat wohl zwei weitere Menschen mit in den Tod gerissen.
Damit führt die Spur nun nach Passau, zu der abgelegenen Pension „Zur Triftsperre“ an der Ilz, die seit Samstag im Zentrum von Ermittlungen zu den drei rätselhaften Todesfällen steht. Die Toten sind neben Farina C. ein Mann namens Torsten W. (53) sowie Kerstin E. (33). Das Trio war am Freitagabend gegen 22 Uhr aus Österreich angereist (wir berichteten). Am Samstag fand Zimmerpersonal die Toten, doch die Todesumstände sind für die Ermittler schwierig zu ergründen.
Bekannt ist bisher, dass sie alle drei durch tödliche Pfeile aus zwei Armbrust-Waffen starben. Heute soll das Ergebnis der Obduktion vorliegen. Doch schon gestern wurde bekannt, dass Kerstin E. und Torsten W. Hand in Hand nebeneinander im Doppelbett lagen. Farina C. wurde auf dem Boden des Dreibett-Zimmers tot aufgefunden.
„Es ist auszuschließen, dass eine weitere Person beteiligt war“, sagte gestern der Passauer Oberstaatsanwalt Walter Feiler. Nach seinen Aussagen war mehrere Male geschossen worden. Die Stirn und das Gehirn von Torsten W. waren von zwei Pfeilen durchbohrt, es fanden sich bei ihm auch weitere Einschüsse.
Mehrere Verletzungen durch Pfeile wies auch der Körper von Kerstin E. auf. Nur ein Einschuss war indes in der Leiche von Farina C. zu entdecken. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie als Letzte schoss. Verwendet wurden dabei zwei moderne Armbrust-Waffen unterschiedlicher Größe, eine dritte fand sich zwar im Zimmer in einer Tasche, wurde aber nicht benutzt.
Dass das Trio vom Mittelalter fasziniert war, vor allem auch von den Waffen, steht außer Frage. Die Toten standen in Kontakt mit einem kleinen Mittelalter-Laden „Milites Conductius“ (lateinisch richtig wäre conducti – ein Haufen Soldaten) in Hachenburg/Rheinland-Pfalz, von wo aus Met und „Gewandung“ (Kleidung), aber eben auch Waffen verkauft wurden. Gleich sieben Sympathisanten von „Milites Conductius“ (darunter die Toten) sind auch auf der Homepage des Belgiers Frederic Piraux aufgeführt, der eine „International Jousting League“ (dt.: Turnier-Liga) gegründet hat. Ziel war es, die Mittelalter-Spiele zu professionalisieren. „Das Projekt ist aber total gescheitert, jeder hatte seine eigenen Regeln“, sagte ein Mitglied von IJL, das vor Jahren ausgestiegen ist.
Ob und wie nun „Milites Conductius“ mit den Toten von Passau und Wittingen zusammenhängt, dürfte eine der Fragen sein, der die Polizei jetzt nachgeht. „Weitere Angaben, insbesondere zu den Hintergründen bzw. in welcher Beziehung die Personen zueinander standen, sind aktuell Gegenstand der Ermittlungen“, erklärt Stefan Gaisbauer vom Polizeipräsidium Niederbayern.