München – Von Nord nach Süd breitet sich allmählich eine Frauenbewegung in der katholischen Kirche aus. Im westfälischen Münster hat eine Handvoll Frauen die Initiative „Maria 2.0“ gestartet und für diese Woche zu einem Kirchenstreik aufgerufen. Sie wollen bis Samstag, 18. Mai, keine Kirche betreten, ihre ehrenamtlichen Ämter ruhen lassen und Gottesdienste im Freien ohne Priester feiern.
Was in Münster, Freiburg, Berlin und Hamburg auf erhebliche Resonanz stößt, hat in Bayern bislang wenig gezündet. Doch auch hier haben sich die Frauen keineswegs eingerichtet in der derzeitigen Rollenverteilung in der katholischen Kirche. „Die Bayern sind immer zunächst einmal zurückhaltend“, sagt Emilia Müller, Landesvorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) gegenüber unserer Zeitung. Für die frühere CSU-Politikerin aber sind die Aktionen am vergangenen Wochenende nur der „Anfang einer großen Bewegung“. Man müsse die Aufmerksamkeit hochhalten und beharrlich auf Veränderungen drängen. „Die Frauen wünschen sich in der Kirche und von der Kirche die entsprechende Wertschätzung.“
Überall in Bayern seien Frauen in den Pfarrgemeinden engagiert – als Lektorinnen, Kommunionhelferinnen, in der Kommunion- und Firmvorbereitung. Die Zeiten änderten sich – „und mir ist es ein Anliegen als Landesverbands-Vorsitzende, dass auch die Kirche sich bewegt“. Die Frauen seien nicht die Christen zweiter Klasse. Müller ruft nicht zur Revolution oder zum Boykott auf, aber sie macht sich stark für den Diakonat der Frau – als erster Schritt. Strukturen müssten verändert werden – die Frauen wollten aufmerksam machen: „So geht es nicht weiter in einer veränderten Gesellschaft.“
In Würzburg wird es am Donnerstag zumindest eine Mahnwache vor der Neumünsterkirche geben. KDFB-Diözesanvorsitzende Edeltraut Hann sagt: „Es muss jetzt was passieren.“ Die 63-Jährige glaubt, dass viele Frauen erst einmal abwarten, wie die Bischöfe reagieren auf den weiblichen Widerstand. Die Zeit drängt, glaubt die Fränkin. Sie befürchtet, dass man die Frauen sonst nicht ernst nimmt. „Wenn man so manche Kommentare in den sozialen Netzwerken liest, hat man schon wieder den Eindruck: Die alten Männer sitzen das schon wieder aus. Ich finde es total schlimm, was die Männer sich einbilden.“
Großartig findet indes die Gemeindereferentin Elisabeth Stanggassinger vom Pfarrverband München-Westend den Protest der Frauen. Die 56-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund: „Frauen müssen endlich aufstehen.“ Sie würden nicht gehört – „daher müssen Taten folgen“. Sie hofft, dass „Maria 2.0“ ein Anstoß für eine Welle ist, die jetzt erst noch komme. Selber Priesterin zu werden, war nie der Wunsch der resoluten Theologin. Aber: „Ich kenne Frauen, die zur Priesterin berufen sind und ihre Berufung nicht leben können.“ Stanggassinger kann nicht verstehen, warum Frauen, die in der Krankenhausseelsorge Menschen lange begleiten, dann nicht die Krankensalbung spenden dürfen: „Das ist einfach lächerlich.“
Große Hoffnungen setzt sie nicht in den Papst – er sei zwar sehr menschlich, aber auch sehr konservativ. „Die Angst in dieser Kirche vor einer Kirchenspaltung ist sehr groß“, sagt sie ernüchtert. Für die 56-Jährige ist diese Angst aber schlicht mangelndes Vertrauen, mangelnder Glaube. Dass die Kirche sich so darstelle wie derzeit, führt Stanggassinger auch darauf zurück, dass sie „2000 Jahre auf die Hälfte der Erfahrung der Menschheit verzichtet hat“. Auch in Kardinal Reinhard Marx setzt sie wenig Hoffnungen. „Ich habe bisher den Worten keine Taten folgen sehen. Es geschieht nichts.“ Der Plan, eine Frau an die Spitze der Verwaltung zu stellen, überzeugt sie nicht. Das werde nur eine systemkonforme Person sein. Immer mehr Menschen verabschiedeten sich von der Kirche, doch ein Aufwachen nehme sie nicht wahr. Stanggassinger hat keine Lust mehr auf „Kuschen“: „Ich bin eine tiefgläubige Frau. Ich sage, was ich denke. Ich habe keine Angst.“ CLAUDIA MÖLLERS