Freising/Landshut – Die Maschine war im April auf dem Weg von Oman nach Paris. Während des Fluges erkrankte ein 48 Jahre alter Passagier so schwer, dass der Pilot um eine Sonderlandung im Erdinger Moos bat. An Deutschlands zweitgrößtem Flughafen ist das nichts Außergewöhnliches.
Der Patient wurde umgehend ins Klinikum Freising eingeliefert. Dort starb er Ende vergangenen Monats. Der Arzt setzte sein Kreuz bei „Todesursache ungeklärt“. Die Kriminalpolizei Erding und die Staatsanwaltschaft Landshut kamen ins Spiel.
Doch wen sie da vor sich hatten, ahnten die Ermittler zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Mit dem Namen des Toten, Zhang Jian, konnten sie anfangs nichts anfangen. Der Leichnam wurde obduziert. Thomas Rauscher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut, sagte unserer Zeitung: „Der Mann ist an einer Blutvergiftung, die mehrere Organe irreversibel angegriffen hatte, gestorben.“ Für die Behörden war der Fall damit erledigt. „Wir haben den Leichnam zur Bestattung freigegeben. Doch kurz vor dem endgültigen Abschied meldete sich ein Hinweisgeber. Er soll aus dem Kreis der Familie des Toten kommen. Laut Rauscher gehen chinesische Exilanten davon aus, dass der 48-Jährige ermordet worden sein könnte. Denn es handelt sich laut „Spiegel“ um den einstigen chinesischen Dissidenten Zhang Jian. Der war als 18-Jähriger im Juni 1989 bei den blutig niedergeschlagenen Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit dabei – in führender Rolle aufseiten der Demonstranten gegen das Regime. Sein Umfeld, so Rauscher, glaubt, diese Geschichte könnte Zhang nun eingeholt haben – durch einen Giftanschlag.
Bei dem Tian’anmen-Massaker hatte das chinesische Militär die Proteste der Bevölkerung, vor allem von Studenten, die für eine Demokratisierung gekämpft hatten, gewaltsam zu unterdrücken versucht. Das Bild, auf dem sich ein Student einem Panzer entgegenstellt, hat Weltgeschichte geschrieben. Für die Landshuter Staatsanwaltschaft musste es jetzt schnell gehen. „Wir haben sofort die Beschlagnahmung der sterblichen Überreste angeordnet – direkt beim Bestatter“, so der Sprecher. Nun muss das Landgericht in der niederbayerischen Hauptstadt über eine neuerliche Obduktion entscheiden.
„Im Moment gehen wir noch nicht von einem Verbrechen aus, sondern von einer ungeklärten Todesursache“, stellt Rauscher klar. Die Hinweise nehme man aber ernst. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Ergebnis erst in mehreren Wochen vorliegt.
Dem „Spiegel“ sagte Huang Ciping, Direktorin der Wei Jingsheng Foundation in Washington, es habe mehrere Todesfälle chinesischer Dissidenten gegeben, die zuvor an der Leber erkrankt waren. Auch bei Zhang soll ein Leberabszess festgestellt worden sein. Ziel der neuerlichen Obduktion wird sein, nach Giftrückständen oder radioaktiver Belastung zu suchen. Dann zeigt sich, ob aus dem Todesermittlungsverfahren ein Fall für die Erdinger Mordkommission wird. Huang Ciping sprach von einem „beunruhigenden Fall“.