München – Bezirkstagspräsident Josef Mederer wirkt verzweifelt. Mit den Skihandschuhen an den Händen gelingt es ihm nicht, die Schürze schnell zuzuknöpfen, obwohl ihn Franziska Lachner, Geschäftsführerin der Alzheimergesellschaft des Landkreises München, so sehr drängt. Beim Demenz-Parcours „Hands-on Dementia“ hat sich der 70-Jährige am Sonntag einen Eindruck davon verschafft, welche Verzweiflung Betroffene fühlen, wenn sie an einfachen Alltagsdingen wie dem Anziehen scheitern. Und beim Demenz-Parcours kann man nur scheitern. Die Anweisungen, was zu tun ist, sind verwirrend, zum Beispiel mit Tippfehlern gespickt – ein Auszug: „7äh1en 3ie bitt0 b9s se6hsunddr3ißig.“ Und während Mederer das zu befolgen versuchte, setzten ihn die Mitarbeiter der Alzheimergesellschaft zeitlich unter Druck – so wie es oft die Angehörigen machen, die es eilig haben und die Situation von Dementen nicht gut verstehen können. „Das ist ja schrecklich, man fühlt sich hilflos und ist verwirrt“, sagte Mederer nach dem Parcours. Sinn der Übung ist es, dass Angehörige lernen, sich in die Dementen hineinzuversetzen.
Auch seine eigene Mutter war zuletzt ein Pflegefall, erzählte Mederer. „Das Thema betrifft uns alle.“ Nur 3000 Menschen in Oberbayern werden zu Hause betreut, 15 000 in stationären Pflegeeinrichtungen. Die Pflege der stationär Betreuten kostet 165 Millionen jährlich, die der ambulant Betreuten 65 Millionen, sagte Mederer. Die Zahlen zeigen, dass die Pflege zu Hause aufwendiger ist. Aber für die Betroffenen sei sie von unschätzbarem Wert, denn jede Veränderung ihrer Lebensumstände bewirkt eine Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands.
Mit dem Alterssimulationsanzug GERT konnten die Besucher testen, wie sich das Alter anfühlt – mit 20 Kilogramm mehr, steifen Gelenken und schlechter Sicht. Getestet hat ihn auch der 92-jährige Max Egersdoerfer aus Eching (Landkreis Freising). Er arbeitete mehr als 40 Jahre lang beim Bezirk Oberbayern und war mit seiner Frau Elisabeth (87) gekommen. Mit der S-Bahn. Kein Problem für die beiden – trotz des hohen Alters. Fit halten sie sich mit Radfahren und Schafkopfen.
Wie gut auch geistig oder körperlich eingeschränkte Menschen – etwa Gehörlose – in der Versorgung von Pflegebedürftigen eingesetzt werden können, zeigte Ausbilder Frank Förster am Stand des Berufsbildungswerks. „Wir wollen, dass Arbeitgeber Vorurteile abbauen. Zum Beispiel sind viele Gehörlose höchst sensibel und sehen Gefahren schneller.“
Auch technische Entwicklungen sollen die Pflege verbessern. Doktoranden der Technischen Universität München stellten den Geriatronik-Roboter vor, den sie entwickeln. Der kann bereits einiges – etwa Männern den Bart rasieren. „In fünf Jahren wollen wir so weit sein, dass unser Prototyp für eine Studie mit Senioren in eine Wohngemeinschaft ziehen kann“, sagte die Doktorandin Melanie Porzenheim zuversichtlich.