Scheyern – Die weiß-blaue Bierkönigin trägt eine Lederhose aus braunen Keramikbackformen. Das Hinterteil der Erdbeerkönigin ziert eine Krinoline in Form einer Erdbeertorte. Die Puffärmel der Zwiebelkönigin bestehen aus weißen Zwiebeltöpfen, auf den Schultern der Jagdkönigin sitzen Entenköpfe. Diese ungewöhnlichen Kreationen gehören zu dem Königsprojekt der Künstlerin Margit Grüner. Und lange bevor sie die Idee dazu hatte, hatte sie jede Menge gebrauchtes Porzellan. Als sie begann, Steingut, Porzellan und Keramik zu sammeln, wusste sie selbst noch nicht genau, was daraus in ihrem Atelier im Kloster Scheyern (Kreis Pfaffenhofen an der Ilm) werden könnte. Sie hatte nur die Idee, es zu zerschlagen und aus den Einzelteilen etwas Neues zu schaffen. „Ich wollte etwas Neues kreieren“, erzählt sie. „Etwas Künstlerisches, das sich von in Mosaiktechnik beklebten Gebrauchsgegenständen abhebt.“
Mehr als 70 Frauenplastiken sind entstanden – in jeder einzelnen stecken 300 Stunden Arbeit. Darunter zehn gestandene bayerische Weibsbilder wie die „Donna Bavaria“. Sie gehört zu Grüners ersten Plastiken. Daneben hat sie acht Geishas gefertigt, einige chinesische und indische Schönheiten, die griechischen Göttinnen Athene, Aphrodite und Hera, die schöne Helena, Circe und Undine. Bislang gibt es erst zwei Männer in ihrer Sammlung: Tarzan mit einem Lendenschurz aus Leoparden-Geschirrteilen. Und den Kini in seiner königsblauen Gala-Uniform mit roter Schärpe. Eine längs halbierte Vase bildet die angelegten Arme, goldglänzende Likörbecher, die in die Skulptur eingelassen sind, bilden eine Ordenskette über der Brust.
Jede Figur hat ihre eigene Persönlichkeit, betont Grüner. Vor allem wird sie durch den Gesichtsausdruck geprägt. „Er haucht ihnen Leben ein“, sagt Grüner. „Und er ist auch für mich oft überraschend.“ So kann ein Gesicht, das sie romantisch-verklärt geplant hatte, auf einmal spitzbübisch oder arrogant werden. Von Grüners eigenen Stimmungen ist das weniger abhängig. Sie probiert lange, welches Teil wo am besten wohin passt. Etwa eine halbe Stunde hat sie dafür Zeit. Denn sie kann Scherben oder Geschirrteile so lange hin- und herschieben, bis der Mörtel trocknet. Die Charakterbildung sei richtig spannend, erzählt sie. Erst danach erhalten ihre Porzellandamen einen Namen.
Dieser Schaffensprozess kann auch über Monate dauern. Darin stecken manchmal regelrecht schönheitschirurgische Ansätze, sagt sie scherzhaft. Wenn sie mit Eisenstangen oder Schrauben an Hals, Brust oder Po arbeitet, um die nötige Stabilität zu erzeugen, kommt sich Grüner manchmal wie eine Chirurgin vor. „Aber am Ende sieht es schön aus“, betont sie. Sie freut sich am meisten auf die Reaktionen der Betrachter. Nicht selten erkennen sie ihr eigenes Geschirr oder sogar das ihrer Eltern oder Großeltern wieder. Oft hört sie Sätze wie: „Das war so kitschig, das hat mir eigentlich gar nicht gefallen, aber hier passt es.“ Und Margit Grüner ist ehrlich: Manchmal denkt sie sich während der Arbeit dasselbe.