München – Wahltage sind für die Grünen derzeit Feiertage. Susanne Günther, Stadträtin in Freising, eilte von der Auszählung der Europawahl zu den Parteikollegen und ließ den Abend bei bester Laune ausklingen. „Zurzeit macht der Wahlkampf einfach großen Spaß“, sagt sie. Kein Wunder, schließlich wurden die Grünen in Freising mit exakt 30 Prozent der Stimmen stärkste Kraft – fast vier Prozentpunkte vor der CSU.
Bayernweit ist die Öko-Partei der große Gewinner des Wahlabends. 19,1 Prozent, sieben Punkte mehr als bei der letzten Europawahl, die grüne Erfolgswelle schwappt scheinbar unaufhaltsam weiter. „Keiner kann mehr an den Klima- und Umweltschutzthemen vorbeiregieren“, jubelt Fraktionschef Ludwig Hartmann. Nicht nur in Freising, auch in Würzburg, Erlangen und München waren die Grünen stärkste Kraft. Das gibt Rückenwind für die anstehenden Kommunalwahlen am 15. März.
1800 Mandate haben die Grünen nach eigenen Angaben derzeit inne, darunter 15 Bürgermeisterposten und zwei Landratsämter (Miesbach und Miltenberg). Wenn es nach Hartmann geht, sollen es nach der nächsten Kommunalwahl 1000 Mandate mehr sein. „Das ist kein Größenwahn. Wir haben in den vergangenen Monaten wahnsinnig viele neue Ortsverbände gegründet. Im Frühjahr werden wir in Bayern fast flächendeckend eigene Listen aufstellen.“ Damit wollen die Grünen nicht mehr nur primär bei jungen Städtern punkten, sondern auch auf dem Land. Gerade im Osten Bayerns sieht Hartmann noch brachliegendes Potenzial (siehe Grafik). „Das Thema Mobilität, das uns in der Stadt so viel Zuspruch bringt, ist dort auch wichtig. Nur aus einer anderen Perspektive. Denn in vielen ländlichen Regionen fährt kein Bus und der Ortskern verödet. Dafür müssen wir Lösungen bieten.“
Die größte Herausforderung wird dabei sein, geeignete Kandidaten zu finden, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. „Bei einer Kommunalwahl reicht ein grünes Schild nicht aus. Hier müssen die Personen überzeugen.“ Dabei hilft der Partei ihr kräftiger Mitgliederzuwachs. Seit dem Jahreswechsel stieg die Mitgliederzahl bei den Grünen um rund 1000 auf 12 500. „Neue Mitglieder haben sofort die Möglichkeit zur Mitbestimmung“, sagt Münch. Auch deshalb sieht sie die Grünen als ernsthafte Gefahr für die SPD in der Rolle als stärkste linke Kraft in Bayern.
Ob die grüne Welle ihre Wucht behält, hängt aus Sicht der Politikwissenschaftlerin auch davon ab, wie sich die Partei in künftigen Koalitionsverhandlungen verhält. Beispiel Bremen: Wird es eine rot-rot-grüne Koalition oder ein Jamaika-Bündnis? „Beides kann bei den eigenen Wählern für Gegenwind sorgen“, sagt Münch. Zudem profitiere die Partei von der anhaltenden Debatte über Umwelt- und Klimathemen. „Aber wer weiß, über was wir in zwei bis drei Jahren diskutieren.“ Der öffentliche Diskurs scheint mit jedem Tag schnelllebiger zu werden.
Für Susanne Günther ist die Marschroute jedenfalls klar. Sie will mit den Grünen die Freisinger Rathausspitze erklimmen. „Dass wir stärkste Fraktion im Stadtrat werden, ist realistisch.“ Für den Bürgermeisterposten, den Amtsinhaber Tobias Eschenbacher von der „Freisinger Mitte“ gerne behalten würde, haben die Grünen noch keinen Gegenkandidaten aufgestellt. „Jeder kann seinen Hut in den Ring werfen“, sagt Günther, die ebenfalls als Kandidatin gehandelt wird. „Ich könnte mir das schon vorstellen. Es wäre an der Zeit, dass mal eine Frau an die Stadtspitze kommt.“