Kämpfer gegen Gaffer

von Redaktion

Der Polizist Stefan Pfeiffer wurde über Nacht so etwas wie ein Star – weil er Gaffer nach einem tödlichen Unfall fragte, ob sie die Leiche sehen wollen. Die Polizeigewerkschaft will Pfeiffers überraschende Popularität jetzt nutzen.

München – Das Video machte bundesweit Schlagzeilen: Nach einem tödlichen Lkw-Unfall bei Nürnberg platzt dem Polizisten Stefan Pfeiffer der Kragen. „Da liegt er, wollen Sie ihn sehen?“, ruft er einem Gaffer zu. „Schämen Sie sich!“ Einem anderen bietet er an, sich die Leiche anzuschauen (wir berichteten). Bei dem Unfall war ein 47-Jähriger gestorben, der mit seinem Sattelzug auf einen Lastwagen aufgefahren war.

Rund eine Woche danach steht Pfeiffer in München in einem Konferenzraum der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) (siehe auch Kasten unten), deren Mitglied er ist, und nimmt verlegen die Auszeichnung eines Radiosenders entgegen. Dann müsse es irgendwann aber auch gut sein mit dem Hype um seine Person. Es gehe schließlich um die Sache. Pfeiffer ist 54 Jahre alt, seit 35 Jahren Polizist, inzwischen Leiter der Verkehrspolizei Feucht. 110 Verkehrstote hat er gesehen. „Ich war schon daneben gestanden, als drei tote Kinder aus einem Auto herausgezogen wurden. Das will ich nicht mehr erleben.“

Umso mehr schockiert es ihn, wenn diese Schicksalsschläge für vorbeifahrende Autofahrer Unterhaltung sind. Wenn sie ihre Handys zücken, die Toten und Verletzten filmen und die Helfer, die versuchen, Leben zu retten. Die Polizeigewerkschaft nennt diese Leute heute ganz bewusst nicht mehr Schaulustige – sondern Gaffer.

Es müsse doch klar sein, dass man nicht gefilmt werden will, wenn man gerade Opfer eines Unfalls geworden ist, sagt Pfeiffer – und auch nicht, wenn man als Notarzt oder Feuerwehrmann einer belastenden Ausnahmesituation ausgesetzt ist. Gaffer seien eine Gefahr. „Macht Euch klar: Das ist kein Spiel da draußen. Das ist bittere Realität.“

Er hätte sich zwar selbst im Fernsehen lieber anders gesehen. „Aber wenn ich nicht geschrien hätte, hätte er es nicht verstanden.“ Er sei etwas erleichtert gewesen, als Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sich positiv über das kursierende Video äußerte. „Das Verhalten vieler Gaffer ist unverschämt und unverantwortlich“, hatte Herrmann auf Facebook geschrieben. „Ich freue mich, dass der Polizeikollege das einigen Gaffern auch mal emotional nahegebracht hat.“  mm/lby

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