München/Lübeck – Hamburgs Justizsenator Till Steffen ist auf der Suche nach Verbündeten. Bei der gestern und heute stattfindenden Justizministerkonferenz der Länder will der Grünen-Politiker für eine Entkriminalisierung des „Containerns“ werben. Es sei sinnvoll, wenn Menschen etwas verwendeten, was andere weggeschmissen hätten, sagte er im Vorfeld der Konferenz gegenüber dem NDR.
Auf der Konferenz will er deshalb einen Vorschlag einbringen, das Mitnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln aus Supermarkt-Müllcontainern künftig straffrei zu machen. Bislang gilt dies als Diebstahl und kann strafrechtlich verfolgt werden. Steffen sieht seinen Vorstoß dabei als Teil einer breiter angelegten Strategie gegen Lebensmittelverschwendung. „Es geht auch darum, dass die Supermärkte sich anders organisieren, damit nicht so viel Überschuss entsteht, und zum Beispiel die Lebensmittel für andere Zwecke, wie die Tafeln für Bedürftige, zur Verfügung stellen.“
Doch gegen den Vorstoß hat sich schnell Widerstand formiert. Steffens nordrhein-westfälischer Amtskollege Peter Biesenbach (CDU) lehnt eine Legalisierung ab. Zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen sollten vielmehr bestehende Initiativen ausgebaut werden, bei denen Supermärkte nicht verkaufte Ware etwa an Tafeln abgeben, sagte Biesenbach dem WDR. Auch aus Bayern kommt Widerstand. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) ist der Meinung: „Sinnvolle Lösungen zur Begrenzung von Lebensmittelverschwendung sind nicht durch Änderungen im Strafrecht zu erreichen.“ Ziel müsse vielmehr sein, dass verwendbare Lebensmittel gar nicht erst in Abfallcontainern landen. Schließlich sei der Verzehr von Lebensmitteln aus der Tonne mit ernsten Gesundheitsgefahren verbunden.
Ganz anders sehen das Caroline Kuhn und Franziska Schmitt aus Olching (Kreis Fürstenfeldbruck). Sie sind mit 128 000 Unterschriften einer Online-Petition im Gepäck nach Lübeck gereist. Darin fordern sie, die strafrechtliche Verfolgung des Containerns zu stoppen. Die Petition wollen sie in Lübeck an Eisenreich übergeben. „Mit einem Politiker aus den Reihen der CSU und der bayerischen Justizbehörde ist wohl die härteste Nuss zu knacken“, schreiben die Olchinger auf ihrer Internetseite „Olchis Containern“.
Es geht dabei auch um ihren Kragen: Die beiden Studentinnen hatten vor einem Jahr Lebensmittel aus einem Müllcontainer eines Supermarkts in Olching genommen. Dabei wurden sie von der Polizei erwischt. Im Januar verurteilte das Amtsgericht Fürstenfeldbruck die Frauen wegen Diebstahls. Sie legten Einspruch ein und wurden in einem späteren Verfahren verwarnt und zu einer Geldbuße von je 225 Euro verurteilt. Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, weil die beiden Revision vor dem Oberlandesgericht in München eingelegt haben. In zwei Wochen will sich das Gericht damit befassen.
„Weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll zu holen, ist kein Diebstahl“, sagt Max Malkus, Anwalt der beiden. Dass sich die Justizminister nun mit dem Thema befassen, findet er gut: „So wie die Rechtssprechung ist, kann’s nicht weitergehen.“ mw/dg/afp