München – Eigentlich kann sich die Bilanz sehen lassen: Bayern hat die Zahl der Fachkräfte im Erzieherbereich von 23 900 auf 46 000 fast verdoppelt und die Ausbildungsplätze deutlich erhöht. Ein Riesenerfolg, betont Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU). „Aber es reicht noch nicht, um den Bedarf zu decken.“ Denn auch Bedürfnisse der Eltern und Angebote der Einrichtungen sind gewachsen, zum Beispiel, was die Buchungszeiten betrifft. Und dafür fehlen Fachkräfte – nach wie vor.
Kerstin Schreyer hat sich vorgenommen, mehr junge Menschen für soziale Berufe zu begeistern. Und als Mutter einer 13-jährigen Tochter ahnt sie, dass sie dafür auch neue Wege gehen muss. Oder andere Kanäle nutzen muss. Neben Image-Filmen auf Facebook könnte das zum Beispiel Youtube sein. Schreyer will Influencer gewinnen, um soziale Berufe vorzustellen. „Wenn es uns gelingt, dass junge Menschen über soziale Berufe sprechen und sie in ihre Berufsentscheidung einbeziehen, können wir die Situation in Bayern verändern“, betont sie. „Und die Wertschätzung dieser Berufe verbessern.“
Denn auch dabei sieht sie noch viel Arbeit. Sozialberufler müssten oft eine Rechtfertigungshaltung einnehmen für ihre Arbeit. Das sagt Schreyer aus eigener Erfahrung – bevor sie Berufspolitikerin wurde, arbeitete sie als Sozialpädagogin, zuletzt im Bereich der Jugendhilfe und als Familientherapeutin. Deshalb weiß sie, dass in vielen Tätigkeiten, die nach nicht viel aussehen, individuelle Förderung oder therapeutische Gespräche stecken. „Wir müssen als Gesellschaft etwas dankbarer dafür sein, dass unsere Kinder oder unsere älteren Mitbürger von Menschen mit soviel Fachlichkeit betreut werden“, fordert sie. Und vor allem müsse diese Arbeit der Gesellschaft mehr wert sein. Denn einen Satz höre sie immer wieder, wenn sie sich mit jungen Menschen über soziale Berufe unterhalte: „Das ist ein schöner Beruf, aber man verdient so wenig.“
Auch darüber muss gesprochen werden, fordert Schreyer. Trotz Tarifautonomie, wegen der die Politik nicht direkt auf die Löhne Einfluss nehmen kann. Sie plant, ein Bündnis „Frühkindliche Bildung“ zu gründen. Damit will sie Arbeitgeber und -nehmer sowie die Gewerkschaften an einen Tisch bringen, um zu diskutieren, wie die bayerische Kita im Jahr 2050 aussieht. Und dabei müsse es nicht nur um die Anforderungen für die Fachkräfte gehen – sondern auch um die Frage, wie sie für ihre Arbeit bezahlt werden müssen.
Schreyer will allerdings nicht erst bis 2050 warten, um die Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen zu verbessern. Durch einen geplanten Leitungs- und Verwaltungsbonus sollen Kindertageseinrichtungen entlastet werden. Für eine durchschnittliche Einrichtung mit 60 betreuten Kindern wird der Bonus etwa 12 500 Euro pro Jahr betragen. Die Träger können dann entscheiden, ob damit die Leitung vom Gruppendienst freigestellt oder eine Verwaltungskraft eingestellt wird. „Zusätzliche Unterstützung anzubieten, erscheint mir als eine der wichtigsten Maßnahmen“, betont Schreyer. Auch zusätzliche Kräfte wie Tagesmütter wären denkbar. Zudem gibt es ein Projekt der katholischen Stiftungshochschule. Dort werden Sozialpädagogen oder Erzieher mit Migrationshintergrund, deren Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird, zu Kinderpädagogen ausgebildet. Sie könnten danach als Fachkräfte in den Einrichtungen eingesetzt werden, erklärt Schreyer.
Wichtig ist ihr aber eines: „Wir müssen zwar schnell Fachkräfte gewinnen – aber nicht um den Preis der Qualitätssenkung.“ Dass kurzfristig eine Kinderpflegerin eine Gruppe leitet, bis eine Erzieherin gefunden ist, sei undenkbar. Schreyer setzt darauf, mehr Menschen zu erreichen, die im sozialen Bereich eine Begabung haben. Aus eigener Erfahrung weiß sie schließlich, dass man schnell eine Begeisterung für diese Arbeit entwickelt. „Auch ich kann mir gut vorstellen, eines Tages in diesen Beruf zurückzukehren.“