Sea-Eye startet trotz Salvinis Drohung neue Rettungsmission

von Redaktion

Regensburg – Italiens Innenminister Matteo Salvini droht den Seenotrettern mit Geldstrafen von bis zu 50 000 Euro, sollten ihre Schiffe mit Migranten an Bord ohne Genehmigung in Italien anlegen (wir haben berichtet). Damit will er die Flüchtlingszahlen auf null senken. Gorden Isler, der Vorsitzende der Regensburger Organisation Sea-Eye, schüttelt darüber nur den Kopf. „Wenn es um Geld ginge, würden wir nicht rausfahren“, sagt er. „Es geht darum, Menschen vor dem Ertrinken zu retten.“ Und damit werde Sea-Eye nach dieser erneuten Drohung sicher nicht aufhören, kündigt er an. „Unsere Arbeit ist von internationalem Recht gedeckt.“

Die Regensburger Organisation war seit 2016 bei der Rettung von mehr als 14 000 Menschen im Mittelmeer beteiligt. Seit vergangenem Sommer sind die Einsätze schwerer geworden, weil die Seenotrettungsleitstelle in Rom keine Rettungsschiffe mehr schickt und die Seenotretter nicht mehr in Italien anlegen dürfen. „Nach internationalem Seerecht müssen wir die Menschen aber in den nächsten sicheren Hafen bringen, wenn wir sie gerettet haben“, erklärt Isler. Bei den Einsätzen westlich vom libyschen Tripolis wäre das Lampedusa. Bei den letzten Missionen hatte Sea-Eye dafür bereits keine Erlaubnis mehr bekommen. Ihr Schiff „Alan Kurdi“ musste mehrmals mit den Geretteten an Bord tagelang auf dem Mittelmeer ausharren, bevor es auf Malta anlegen durfte.

„Menschen mit Haltung würden die Frage, wie die Geflüchteten auf die europäischen Staaten verteilt werden, mit den anderen Politikern auf Augenhöhe klären“, sagt Isler. „Salvini wendet sich aber nicht nur gegen die Seenotretter, sondern vor allem gegen die Geflüchteten.“ Es gehe ihm nicht darum, etwas gegen das Sterben im Mittelmeer zu tun – sondern nur um Macht.

Sea-Eye will sich von Italien nicht unter Druck setzen lassen. Die nächste Mission ins Einsatzgebiet vor der libyschen Küste soll kommende Woche starten. Dennoch sei es schwerer geworden, Crewmitglieder und Kapitiäne zu finden, berichtet Isler. Auch für die nächste Fahrt fehlen noch Nautiker und ein Maschinist. „Wir bekommen weniger Anfragen und müssen aktiver auf die Menschen zugehen“, sagt er. Die angedrohten Strafen könnten einige abgeschreckt haben, vermutet er. „Aber es gibt auch andere, die nun erst recht helfen wollen, damit nicht noch mehr Menschen ertrinken.“ Und das seien nicht nur Aktivisten, betont er. An Bord der „Alan Kurdi“ sind bei jeder Mission auch Crewmitglieder im Rentenalter.

Aktuell ist nur die Berliner Organisation Sea-Watch im Mittelmeer im Einsatz. Dort sind gerade zwei Flüchtlingsboote mit 111 Menschen an Bord verschollen. Seit Januar sind laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration 543 Flüchtlinge ertrunken oder verschwunden – das sind nur die Zahlen von Booten, die gesichtet wurden.

„Es ist völlig perfide, Menschen mit Strafen dafür zu drohen, dass sie anderen Menschen das Leben retten“, sagt Isler. „Wie absurd das ist, wird jedem klar, der sich die Frage stellt, welchen Menschen er für 50 000 Euro ertrinken lassen würde.“ KATRIN WOITSCH

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