Rettenbach am Auerberg – Die goldfarbenen Zeiger sind auf 10 Uhr gestellt. Die alte Uhr steht inmitten von selbst gemalten Bildern, Blumen, Abschiedsgrüßen, Engelsfiguren und Kerzen im Schatten eines kleinen Baumes. 10 Uhr, das war der Zeitpunkt, an dem sich am Sonntag vor vier Wochen in Rettenbach am Auerberg (Kreis Ostallgäu) mit einem heftigen Knall alles änderte.
In dem Neubaugebiet am Ortsrand mit Blick in die Allgäuer Berglandschaft war das Haus einer fünfköpfigen Familie bei einer Gasexplosion zerstört worden. Der 42-jährige Vater und seine siebenjährige Tochter starben in den Trümmern. Die Mutter, 39, wurde lebensgefährlich verletzt gerettet, ihr Zustand ist laut Polizei unverändert kritisch. Nur die beiden Söhne, die an diesem sonnigen Sonntagvormittag auf einem nahe gelegenen Spielplatz waren, blieben unverletzt. Sie leben seitdem bei Verwandten. Ein Gasleck war die Ursache für das Unglück, von dem sich nun eine ganze Region zu erholen versucht.
Die Ortschaft Rettenbach schmiegt sich sanft in die grünen Hügel am Fuß des Auerbergs. Sie ist als Sonnendorf ausgezeichnet, gilt als Vorreiter in Sachen regenerative Energien. Im beschaulichen Ortskern stehen das Rathaus, ein großer Dorfladen mit Café, die Kirche. Rettenbach ist ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Im Moment ist es ein schwer erschüttertes Dorf.
Man merkt Bürgermeister Reiner Friedl die Betroffenheit an, wenn er spricht. „Die Dorfgemeinschaft hat zusammengehalten“, sagt er. „Aber ich bin auch überwältigt von der Hilfsbereitschaft in der Region.“ Die Besitzer der umliegenden Häuser hätten inzwischen mit den Reparaturen begonnen – auch dank der Bau- und Handwerksfirmen, die trotz voller Auftragsbücher sofort gekommen seien. „Das am schwersten beschädigte Nachbarhaus hat neue Wände bekommen“, sagt Friedl. Die Eigentümer seien derweil in der Wohnung eines Rettenbachers untergekommen.
Sie haben wirklich zusammengehalten nach dem Unglück: Als die Rettungskräfte und Helfer kamen, öffneten viele ihre Türen, hängten Zettel daran, man könne bei ihnen die Toilette benutzen. Rettenbacher Firmen organisierten die Verpflegung für die Einsatzkräfte.
„Die Spendenbereitschaft ist enorm“, sagt auch Simon Gehring, Schatzmeister des Allgäuer Hilfsfonds. Noch am Abend des Unglücks hatten sich Landrätin Maria Rita Zinnecker und Bürgermeister Friedl darauf verständigt, dass der Hilfsfonds das Sammeln und Verteilen von Hilfsgeldern koordiniert. Seit rund 20 Jahren gibt es den gemeinnützigen Verein, der jeden Euro direkt an die Betroffenen weitergibt. „So einen dramatischen Fall haben wir aber selten“, sagt Gehring.
30 000 Euro wurden sofort bereitgestellt, mehrere Vereine, auch aus dem Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau, sammelten Geld für die Familie und die Nachbarn, deren Häuser beschädigt wurden. Und der Fonds sammelt weiter. „Die Familie wird jeden Cent bitter nötig haben“, sagt Gehring.
An der Stelle, wo bis vor vier Wochen das Zuhause der Familie stand, klafft eine große Lücke. Der Schutt wurde in den letzten Wochen vollständig abgetragen, das Grundstück eingeebnet. Erste Grashalme sprießen aus der Erde. Sie werden den Boden noch einmal umgraben, sagt ein Anwohner. Und eine Blumenwiese aussäen.
SPENDEN
Unter dem Stichwort „Rettenbach“ nimmt der Allgäuer Hilfsfonds Spenden für die Familie an:
Sparkasse Allgäu
IBAN: DE94 7335 0000 0000 0028 57
BIC: BYLADEM1ALG
Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu eG
IBAN: DE04 7336 9920 0000 8848 80
BIC: GENODEF1SFO