Gunzenhausen – Mit Fliegengittern, biologischen Insektiziden und Staubsaugern gehen die Einwohner Gunzenhausens gegen die Schwammspinner-Plage vor. Millionenfach kriechen die Tiere aus dem stadtnahen Burgstallwald heraus, um in den Gärten der anliegenden Häuser nach Nahrung zu suchen. Die Raupen, die sich primär von Eichenbaumblättern ernähren, haben den Wald bereits komplett aufgefressen, die Bäume sind kahl. Nun machen sich die Schwammspinner auch über Blumen, Sträucher und Zierhölzer her. So heftig wie Gunzenhausen ist kein anderes Dorf in Bayern befallen.
„Der Wald sieht aus wie im November“, sagt Anja Kohles, Leiterin einer Mutter-Kind-Klinik im Ort. Die Seenlandklinik liegt umringt von Bäumen am Waldrand. Normalerweise werden hier Mütter und Kinder betreut, zurzeit ist das aber nicht möglich: „Es kribbelt und krabbelt überall“, sagt Kohles. „Es ist einfach nur eklig und psychisch sehr belastend.“
200 Meter weiter steht das Haus von Gerhard Postler. Mit einem Staubsauger saugt er die Raupen weg. Nach wenigen Momenten ist der Boden, die Eingangstür oder die Hauswand wieder voll. „Man kann kein Fenster öffnen. Wenn ich die Haustür aufmache, habe ich plötzlich hunderte Raupen im Flur“, sagt Postler. Es braucht jetzt einen Katastrophenfall, meint er.
Die Stadtverwaltung der 17 000-Einwohner-Stadt hat professionelle Schädlingsbekämpfer beauftragt und gemeinsam mit der Feuerwehr und den Staatsforsten Holzbarrieren mit doppelseitigem Klebeband aufgestellt. Die Maßnahmen würden noch die ganze Woche dauern, sagt eine Sprecherin. Ob es soweit kommen musste, darüber streiten jetzt die Gunzenhausener. Bereits im vergangenen Jahr gab es Schwammspinner in der mittelfränkischen Stadt. Auf eine Beseitigung der Tiere mit dem Bekämpfungsmittel Mimic hatte der bayerische Staatsforstbetrieb, dem zwei Drittel des Waldes gehören, 2018 und auch heuer verzichtet. Weil der Wald im Wasserschutzgebiet liegt und man verhindern wollte, dass gefährliche Stoffe ins Grundwasser gelangen, hatte man sich gegen einen Einsatz des Insektizids ausgesprochen. Auch die Gunzenhausener Interessengemeinschaft „Kein Gifteinsatz im Burgstallwald“ hatte gegen den Einsatz gestimmt. „Das war ein großer Fehler“, sagt Hausbesitzer Gerhard Postler. Das Problem sei abzusehen gewesen. Von Beginn an habe er an Behörden appelliert, das Bekämpfungsmittel zu spritzen.
„Für Pflanzenschutzmittel ist es nun zu spät, weil der Wald ja abgefressen ist“, sagt Jürgen Stemmer vom zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Weißenburg. Welche Maßnahmen nun zu ergreifen seien, weiß er jetzt noch nicht. Die Raupen, die noch im Wald sind, verhungern möglicherweise oder werden von Parasiten befallen, sagt er.
Die Vermehrung hänge mit der Klimaveränderung zusammen. Die Raupen halten sich normalerweise in warmen Klimaten von Südeuropa bis Nordafrika auf, so Stemmer. Aufgrund der Klimaerwärmung seien sie nun bei uns. „In Zukunft werden wir noch öfters mit ihnen zu tun haben.“