Freising – Eigentlich trafen sich 110 Bürgermeister aus ganz Deutschland in Freising, um über die Grundsteuer, Klimaschutz und andere wichtige Themen zu sprechen. Doch die Jahrestagung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) wurde diesmal vom Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) überschattet. Sicherlich ein Extremfall, verübt nach Stand der Ermittlungen von einem Rechtsextremisten. Doch Schmähungen und Attacken werden auch auf kommunaler Ebene häufiger, berichten Bürgermeister.
„Bürger erleben die Kommunen als Staat und lehnen ihn ab“, sagt DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Selbst in der Berliner Geschäftsstelle des Verbands häufen sich anonyme Briefe oder E-Mails mit Beleidigungen. Als sich der Kommunalverband, wie es nun mal seine Aufgabe ist, für die Stärkung der Grundsteuer aussprach, hieß es, das Geld werde eh nur für Flüchtlinge ausgegeben – man solle die Verbandsvertreter am besten „aufhängen“.
Präsident des Verbands ist seit eineinhalb Jahren der niederbayerische Bürgermeister Uwe Brandl (CSU). Auch er erhält immer wieder anonyme Briefe – „A wie Abfalltonne“, so handhabte er das bisher. Vielleicht, so meint Brandl, müsse man umdenken und verstärkt die Justiz einschalten.
Staatsanwälte hätten vermutlich gut zu tun, wenn die Kommunalpolitik die Beleidigungen konsequent anzeigen würde: Eine Umfrage unter 1055 Bürgermeistern in Deutschland der Zeitschrift „Kommunal“ ergab, dass 40 Prozent aller Verwaltungen und Gemeinderäte in Deutschland in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik schon beschimpft oder persönlich beleidigt wurden. Viele Politiker hätten sich schon daran gewöhnt, Beleidigungen zu erfahren, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der den Angriff auf Lübcke gestern im Kabinett thematisierte. „Die Erfahrung lehrt uns, dass wir jede Art von Beleidigungen ernster nehmen müssen.“ Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeigte sich angesichts der „politischen Radikalisierung – links wie rechts“ besorgt. Vor allem im Internet bildeten sich immer häufiger Parallelwelten, in denen sich Menschen ihren eigenen Rechtsraum schafften. „Das sind Alarmzeichen. Wir müssen versuchen, die Hemmschwelle des Eingreifens zu senken.“
Neben diesem unerfreulichen Thema berieten die Bürgermeister bei ihrer Tagung im Freisinger Marriott Hotel auch über die Reform der Grundsteuer. Den jüngst gefundenen Kompromiss der Großen Koalition mit Länderöffnungsklauseln lobte DStGB-Chef Brandl fast demonstrativ. Länderöffnungsklausel heißt: Bayern kann, anders als das andere Bundesländer vorhaben, die Grundstückssteuer allein nach der Fläche und nicht auch nach der Wertigkeit bemessen.
Das Reformprojekt zeige die Handlungsfähigkeit der GroKo, die „besser als ihr Ruf“ sei, meinte Brandl. Vorgezogene Neuwahlen, auf die nicht wenige spekulieren, hält er im Bund für falsch. „Wir können uns Stillstand und politische Manöver nicht leisten.“ Brandl hofft daher, dass für die notwendige Grundgesetzänderung auch eine Mehrheit gefunden werde. Allein können Union und SPD die Länderöffnungsklausel für die Grundsteuer nicht beschließen. Immerhin: Es gebe Signale, dass auch die Grünen den Kompromiss mittragen, sagte Brandl.