Kitzingen/München – Wenn es zu heiß wird, hilft nur eines, sagt Magdalena Michelsen, 86: „Dann setz’ ich mich auf mein Bänkla und genieß’ den Wind.“ Die Seniorin kennt sich in Sachen Sommerhitze aus: Der Garten hinter dem Haus von Magdalena Michelsen ist das heißeste Fleckerl der Bundesrepublik. Nirgendwo sind die Temperaturen höher als bei der Seniorin am Stadtrand von Kitzingen.
Zumindest, wenn man die Messwerte der bei ihr aufgestellten Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes zum Maßstab nimmt. Seit über 20 Jahren sammelt der DWD hier Daten, die ein spezieller Computer in die Zentrale nach Offenbach schickt. 40,3 Grad hat die Station der 86-Jährigen im Sommer 2015 angezeigt. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 wurden keine höheren Temperaturen gemessen – Rekord.
Bayern ist ein Bundesland der Rekorde, auch was das Wetter angeht. Hier liegt der schneereichste Ort Deutschlands, die Zugspitze. Und mit Balderschwang im Oberallgäu der nasseste. Jahrelang war Scheidegg am Bodensee unter den Top 10 der Gemeinden mit den meisten Sonnenstunden, 2007 sogar auf Platz eins. Auch der kälteste Ort befindet sich im Freistaat: der Funtensee bei Berchtesgaden. Und natürlich der heißeste.
Steht ein Temperaturrekord davor, geknackt zu werden, schaut Deutschland gespannt nach Kitzingen. Die 20 000-Einwohner-Stadt in Unterfranken liegt in einer geschützen Talsenke auf 188 Metern über dem Meeresspiegel. Die Umgebung wirkt wie ein Kessel. Dazu kommt, dass durch Bebauung wenig Wind zur Abkühlung aufkommt. Als hier die bisher höchste Temperatur Deutschlands gemessen wurde, war die Topografie ein Grund.
Ein anderer, so erklären es die Experten vom DWD, sind Rahmenbedingungen wie der Zustand des Bodens: Vor vier Jahren waren die Böden ausgedörrt nach einer längeren Trockenperiode. In diesem Jahr gab es deutlich mehr Niederschläge, die Böden sollten also feuchter und damit kälter sein.
Immerhin fiel gestern wie prognostiziert die deutschlandweite Höchstmarke für den Juni – allerdings in Brandenburg. In Coschen an der deutsch-polnischen Grenze wurden am Nachmittag 38,6 Grad gemessen. Der Juni-Rekord für Bayern, erstmals aufgestellt im Juni 1947 mit 37,3 Grad in Kahl am Main und 2014 von Kitzingen wiederholt, ist mutmaßlich ebenfalls gefallen: Laut DWD wurden um 15 Uhr an der Wetterstation in Möhrendorf-Kleinseebach nördlich von Erlangen 37,6 Grad gemessen.
In Kitzingen freut man sich über die Rekordjagd. Vor zwei Jahren sagte Oberbürgermeister Siegfried Müller der „FAZ“, jeder Rekord gebe auch einen Schub bei den Übernachtungszahlen. Für einen neuen Allzeit-Rekord dürfte es aber schon noch heißer werden, sagt Magdalena Michelsen. Sie sei stolz auf ihre Werte, „nirgendwo wurde mehr gemessen. Mir macht’s nichts aus, ich muss ja nicht gerade in der Hitze rumrennen.“ Die Seniorin hat schließlich ihr Bänkla.