Warngau – Klaus Thurnhuber ist ein erfahrener Landwirt. Auch, wenn er den Milchviehbetrieb in der 3800-Seelen-Gemeinde Warngau (Kreis Miesbach) bereits weitestgehend an seinen Sohn übergeben hat, mischt er noch mit – seine Erfahrung ist gefragt. Vor allem, wenn es um die Tierpflege geht. So auch am Mittwoch gegen 17.45 Uhr. Thurnhuber – seit Langem hauptamtlicher Bürgermeister von Warngau und Mitglied der Freien Wähler Gemeinschaft – wollte den Stier untersuchen, denn er lahmte. So schildert es Thurnhubers Ehefrau Veronika. „Normalerweise fixieren wir den Stier für solche Maßnahmen immer im Fressgatter. Ich weiß nicht, warum mein Mann dieses Mal ohne diese Vorsichtsmaßnahme in die Laufbox gegangen ist.“ Der Stier drehte durch – und verletzte den Bürgermeister schwer.
Thurnhubers Sohn, der auch im Stall war, alarmierte die Rettungskräfte. Die Freiwillige Feuerwehr Warngau eilte mit 15 Einsatzkräften zum Unfallort. Sie übernahmen die Erstversorgung des Verletzten. Hinter dem Hof auf einer Wiese landete der Rettungshubschrauber. Die Luftrettung Kufstein brachte Thurnhuber in eine Münchner Klinik. Der Zustand des 55-Jährigen ist ernst, aber stabil. Seiner Ehefrau zufolge sind unter anderem alle Rippen gebrochen, die Lunge ist geprellt. „Wir hoffen sehr, dass er wieder gesund wird“, sagt Veronika Thurnhuber.
Ob der Stier wegen der Hitze – an jenem Abend herrschten Temperaturen über 30 Grad – nervös war, ist noch unklar. Die Polizei rekonstruiert den Unfallhergang und versucht, die Ursache zu klären, wie ein Sprecher der Polizei Holzkirchen sagte. Ebenso unklar ist, was mit dem Stier passiert, ob er eingeschläfert wird. Nach Angaben des Kommandanten der Warngauer Feuerwehr beruhigte sich das Tier gleich nach dem Angriff wieder. Die Rettungskräfte und der Sohn des verletzten Landwirts sperrten ihn aber vorsichtshalber ein.
Zu Unfällen mit Rindern kommt es in der Landwirtschaft regelmäßig. „In Bayern verzeichnen wir rund 1000 Unfälle pro Jahr“, sagt Friedrich Allinger, Leiter der Präventionsabteilung bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, über die die Landwirte bei Arbeitsunfällen versichert sind. In diese hohe Zahl fielen aber auch weniger schwerwiegende Zwischenfälle wie Schwanzschläge ins Auge oder Ähnliches. „Unfälle mit Bullen sind seltener, aber dafür sehr gefährlich und manchmal sogar tödlich“, sagt Allinger.
In diesem Jahr kam in Bayern ein Landwirt nach einem Stierangriff ums Leben. Das Tier hatte seinen 60-jährigen Besitzer in Niederbayern beim Verladen tödlich verletzt. 26 Jahre ist es her, dass der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl (FDP) von einem Stier auf dem familieneigenen Bauernhof in Rott (Kreis Landsberg) schwer verletzt wurde. Er war bis zu seinem Tod im Jahr 2000, sieben Jahre später, auf einen Rollstuhl angewiesen.
Besondere Vorsicht ist laut Allinger bei halbwüchsigen Stieren ab zwei Jahren geboten. „In diesem Alter wollen sie sich ausprobieren – und so ein mitlaufender Deckbulle hat nichts anderes im Sinn als Rivalen zu entfernen.“ Egal ob Mensch oder Tier. Der Blick in die Statistik zeigte Allinger auch, dass Unfälle sowohl in Lauf- wie in Anbindeställen immer wieder vorkommen. „Deutlich weniger passiert, wenn Melkroboter oder Schleusensysteme beim Verladen eingesetzt werden.“ Allingers Mitarbeiter beraten die Landwirte bei kostenlosen Betriebsbesichtigungen, wie etwa durch bauliche Maßnahmen die Unfallgefahr verringert werden kann.