Eine Riege ganz starker Frauen

von Redaktion

Jede einzelne dieser Frauen wäre mit Beruf und Familie mehr als ausgelastet. Doch die fünf Persönlichkeiten, die mit dem Ellen-Ammann-Preis ausgezeichnet wurden, haben sich mit Haut und Haar einer ehrenamtlichen Aufgabe verschrieben. Der Hauptpreis geht an die Schauspielerin Jutta Speidel und ihren Verein für obdachlose Mütter und Kinder.

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Ellen Ammann hätte ihre wahre Freude an den fünf streitbaren Frauen gehabt, die gerade im Senatssaal des Bayerischen Landtags in München geehrt werden. Der Preis, der vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) in Bayern vergeben wird, trägt den Namen der kirchlichen Aktivistin und KDFB-Gründerin, die vor 100 Jahren zu den ersten Frauen im Landtag gehörte. Von „Networking“ hatte Ammann, deren Geburtstag sich an diesem Tag zum 149. Mal jährt, zu ihrer Zeit sicher nichts gehört. Aber Netzwerkarbeit ist etwas, das alle fünf Geehrten aus dem Effeff beherrschen und heute für erfolgreiche Frauen unerlässlich ist.

Auch die bekannte Schauspielerin Jutta Speidel (65), die vor 22 Jahren in München „Horizont“ gegründet hat, einen Verein für obdachlose Kinder und ihre Mütter, ist darin eine Meisterin. Sie nutzt ihre Popularität für eine ehrenamtliche Aufgabe, die verzweifelten Müttern eine Perspektive gibt. Die Mutter zweier Töchter las vor 24 Jahren einen Bericht über obdachlose Kinder im reichen München – und konnte es nicht glauben. Zwei Jahre lang recherchierte sie und überzeugte sich von dem Elend der betroffenen Frauen und deren Kindern – dann gründete sie den Verein.

Zunächst wurden die Hilfesuchenden in einem Mietshaus untergebracht. Doch dann geschah die Katastrophe. Ein Trauma, das Jutta Speidel nie vergessen wird. „Wir haben hautnah erleben müssen, warum diese Frauen obdachlos geworden sind“, berichtet sie. Ein Mann, der sich auf Freigang aus dem Gefängnis befand, drang in das Haus ein, attackierte die vor ihm geflüchtete Frau mit einer Axt. „Das war so furchtbar erschreckend und grausam, dass uns vom Hausbesitzer gekündigt wurde und wir auf der Straße standen.“ Doch Jutta Speidel gab nicht auf. Aus dem Scheitern wurde ein Neuanfang. Über eine Spendenaktion kam der Grundstock für das erste Haus zusammen. Inzwischen besitzt „Horizont“ in München zwei eigene Häuser mit 74 Wohnungen. 2300 obdachlose Kinder und ihre Mütter hat der Verein in ein selbstbestimmtes Leben begleitet. Jutta Speidel sagt: „Ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich es gemacht habe. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt, wie in den 22 Jahren mit dem Verein.“

Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) hat Speidel vorgeschlagen für den Preis. „Ich weiß, es ist schnell in der Diskussion: Wenn jemand prominent ist, kann er so etwas auch machen. Das ist richtig. Aber prominent sein heißt nicht, dass jeder automatisch seinen Namen für ein Ehrenamt einsetzt“, begründet sie ihren Vorschlag. Speidel engagiere sich für eine Gruppe, die man gar nicht so im Blick gehabt habe. „Ich bin begeistert von Frauen, die sich mit Power und Elan einsetzen.“ Für Emilia Müller, Landesvorsitzende der KDFB, ist Jutta Speidel geradezu ein Paradebeispiel für Frauen, die Grenzen überschreiten.

Die neue Ellen-Ammann-Preisträgerin Speidel indes lenkt den Blick auf die anderen geehrten Frauen: Sie findet es fantastisch, wie viele starke Frauen es in Deutschland gebe. Da ist als zweite Preisträgerin Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht in Regensburg und Gründungsmitglied des Vereins „Donum Vitae“, der vor 20 Jahren aus der Taufe gehoben wurde, nachdem die deutschen Bischöfe auf Weisung von Papst Johannes Paul II. aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung aussteigen mussten. Bei „Donum Vitae“ werden aus christlicher Überzeugung weiterhin schwangere Frauen in Konfliktsituationen beraten, um sie für das ungeborene Kind zu gewinnen.

Demel hatte damals gerade ihren Lehrstuhl für Kirchenrecht bekommen und ihre berufliche Existenz aufs Spiel gesetzt. „Aber ich bin noch drauf seit 25 Jahren“, sagt die 56-Jährige lächelnd. Seit 2017 ist die unerschrockene Theologin sogar Landesvorsitzende. Und kämpft weiter dafür, dass ihr Verein nicht weiter von der Amtskirche ausgegrenzt wird. „Donum Vitae ist ein Verein, der mitten in der Kirche steht, katholisch und im recht verstandenen Sinne papsttreu“, sagt sie unter dem Beifall der Gäste.

Weitere Preisträgerinnen sind Jana Weidhaase (36) für ihr Projekt „We talk – Woman fight violence“ zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften, Ele Schöfthaler (Landshut) für „Kindernester“ zur zeitlich flexiblen Betreuung von Kindern alleinerziehender Mütter und Claudia Burmeister aus Regensburg, die mit „Waagnis“ Beratungsstellen zu Essstörungen gegründet hat.

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