Urteil im Wolbergs-Prozess

Nur Verlierer in Regensburg

von Redaktion

VON STEFAN AIGNER

Der Oberbürgermeister einer 160 000-Einwohner-Stadt wird von einem Gericht wegen zwei Fällen der Vorteilsannahme schuldig gesprochen – überall wäre diese Verurteilung wohl Grund für einen Amtsverzicht. Überall, außer in Regensburg. Hier feiern die Anhänger von Joachim Wolbergs die heutige Entscheidung des Landgerichts wie einen Freispruch.

Angesichts der Fülle an Vorwürfen, mit denen die Staatsanwaltschaft Joachim Wolbergs überhäuft hatte und an denen die Ankläger bis zum Schluss unbeirrbar, um nicht zu sagen stur, festgehalten haben, sind solche Reaktionen verständlich. Es ist nur wenig übrig geblieben. Sogar von einer Strafe für Joachim Wolbergs sieht das Gericht trotz Schuldspruch ab.

Dabei wird übersehen, dass der suspendierte Oberbürgermeister sehr wohl wegen Korruptionsdelikten verurteilt wurde – nichts anderes ist Vorteilsannahme. Dabei wird übersehen, dass Baumagnat Volker Tretzel nach Überzeugung des Gerichts unter seinen Beschäftigten sehr wohl ein Strohmann-System organisieren ließ, um Großspenden zu verschleiern und damit Einfluss auf die Diensthandlungen des Oberbürgermeisters zu nehmen. Und es wird übersehen, dass von diesem System nicht nur die Regensburger SPD, sondern auch die Regensburger CSU profitierte – zumindest bis zu Wolbergs’ Wahl.

Zurück bleibt ein suspendierter OB, an dem sehr wohl der Ruch der Korruption klebt. Eine Staatsanwaltschaft, die spätestens jetzt in dem Ruf steht, diesen Mann durch völlig überzogene Ermittlungsmaßnahmen, eine Masse an Vorwürfen und mehrere Anklagen faktisch ruiniert zu haben. Und ein Gericht, dem es trotz aller Versuche nicht gelingen wird, durch sein Urteil Rechtsfrieden herzustellen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben bereits angekündigt, in Revision zu gehen. Ähnlich gespalten bleibt Regensburg zurück, wo die drei Jahre währende Diskussion über Schuld oder Unschuld des suspendierten Oberbürgermeisters längst zu einer Glaubensfrage geworden ist, egal wie akribisch eine Urteilsbegründung ausfallen mag.

Redaktion@ovb.net

Artikel 6 von 11