München – Lange bevor Josef Mederer oberbayerischer Bezirkstagspräsident wurde, ist er im Rettungsdienst aktiv gewesen. Er kennt die Einsätze, wenn ein Mensch in einer psychischen Notsituation ist und akut Hilfe braucht. Notarzt, Rettungsdienst und Polizei werden in solchen Fällen alarmiert – und manchmal enden die Einsätze damit, dass der Betroffene mit Handschellen fixiert in eine Klinik gebracht werden muss. „Das muss die absolute Ausnahme werden“, betont Mederer. „Wir müssen andere Antworten auf diese Anforderung finden.“
Seit Jahren engagiert sich Mederer für Menschen mit psychischen Problemen. Der Krisendienst Psychiatrie, den es seit Oktober 2017 in Oberbayern gibt, ist sein Herzensprojekt. Und gestern ist die Stellung des Krisendienstes in Oberbayern noch einmal gestärkt worden. Vertreter des Krisendienstes und der drei oberbayerischen Polizeipräsidien haben eine Vereinbarung unterzeichnet. Sie regelt, dass die Einsatzkräfte künftig in solchen Situationen den Krisendienst Psychiatrie hinzuziehen sollen. „Damit haben wir Geschichte geschrieben“, betonte Mederer nach der Unterzeichnung.
Grundlage für die Vereinbarung ist das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das vergangenes Jahr verabschiedet wurde. Es regelt, dass bei einer Gefährdung vor Anordnung einer Unterbringung ein Krisendienst hinzugezogen werden soll. Gelebt wurde das auch die vergangenen Monate schon, erklärt Mederer. Bei den 23 500 Anrufen wegen psychischer Notlagen pro Jahr war 1900 Mal auch der Krisendienst vor Ort. „Mit der Vereinbarung ist das künftig klar geregelt.“
Konkret bedeutet das, dass die Polizei in diesen Situationen immer den Krisendienst alarmieren wird. Er ist seit 1. Juli oberbayernweit rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche erreichbar. „Die Polizeibeamten sind zwar für solche Einsätze geschult, dennoch sind sie sehr schwer für sie“, erklärt Norbert Radmacher, der Polizeivizepräsident des Münchner Präsidiums. „Beim Krisendienst können sich die Beamten nun telefonisch Rat holen und mit ihm entscheiden, ob es sinnvoll ist, dass der Krisendienst ein mobiles Einsatzteam schickt, um deeskalierend zu wirken.“ Manchmal sei es schon entscheidend, wenn Helfer in Zivilkleidung vor Ort sind. Ziel ist es auch, Unterbringungen und Zwangseinweisungen möglichst zu vermeiden. Seit es den Krisendienst gibt, gelingt das häufiger, berichtet Mederer. „Die Zahl der Einweisungen ist massiv zurückgegangen.“ Dass sei nicht nur für die Betroffenen eine enorme Verbesserung, betont er. „Es spart auch erhebliche Kosten.“ Deshalb ärgert sich Mederer, dass sich die Krankenkassen bisher an der Finanzierung des Krisendienstes nicht beteiligen. Der Bezirk Oberbayern investiert rund 7,4 Millionen Euro pro Jahr. Die Kosten für die Leitstelle übernimmt künftig der Freistaat. KATRIN WOITSCH