München – Nach den Tierquälerei-Vorwürfen gegen einen großen Allgäuer Milchviehbetrieb will die Staatsregierung die Überwachung derartiger Großbetriebe neu organisieren. Für 85 große Rinder- und Schweinezuchtbetriebe soll künftig dieselbe Spezialbehörde zuständig sein, die bisher schon große Lebensmittel- und große Geflügelbetriebe kontrolliert. Die Behörde, bislang mit Sitz in Erding und Kulmbach, soll 25 neue Stellen und zwei neue Standorte bekommen, einen in Schwaben und einen weiteren in Franken.
Das kündigte Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (FW) gestern in einer Sondersitzung von Umwelt- und Agrarausschuss im Landtag an. „Wir brauchen eine neue Qualität bei Tierschutzkontrollen“, sagte Glauber. Große, industrielle Betriebe müssten auch nach anderen Maßstäben kontrolliert werden. Glauber verwies zudem auf bereits geplante zusätzliche Amtstierarzt-Stellen – Grüne und SPD beklagten aber, das seien immer noch viel zu wenige.
Rosi Steinberger (Grüne) nannte die von Glauber angekündigten Maßnahmen nur einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Denn viele Veterinärämter in den Landkreisen seien völlig überlastet. Florian von Brunn (SPD) kritisierte, gerade im Unterallgäu sei seit vielen Jahren immer wieder auf „krasse“ Personaldefizite hingewiesen worden. Passiert sei aber quasi nichts. Von Brunn fragte, „warum in Bayern das Kind immer erst in den Brunnen fallen muss, bis man Reformen einleitet“.
In dem Allgäuer Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach (Kreis Unterallgäu) sollen Kühe misshandelt worden sein. Eine Tierrechtsorganisation hatte entsprechende Videoaufnahmen öffentlich gemacht. Die Staatsanwaltschaft Memmingen ermittelt. Glauber berichtete, dass der Betrieb mit fünf Standorten in Bayern und zwei in Baden-Württemberg in den vergangenen fünf Jahren 34 mal kontrolliert worden sei, zuletzt vor wenigen Wochen. Dabei seien Verstöße im gering- und mittelgradigen Bereich dokumentiert worden.
Bei den aktuellen Kontrollen seien am Hauptstandort unter anderem Mängel bei der Tiergesundheit und auffällig viele lahme Tiere festgestellt worden. Ein Vorwurf, dass in einem Schlachtbetrieb tot angelieferte Tiere verarbeitet worden seien, treffe aber nicht zu. Glauber betonte, man müsse nun die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und einen Sonderbericht der Regierung von Schwaben abwarten.
Zu den Videos aus dem Allgäuer Betrieb sagte Glauber, die klaren Verstöße gegen den Tierschutz, die darauf zu sehen seien, machten ihn persönlich fassungslos. „Es ist eine Tierhaltung ohne jegliches Gefühl und ohne jegliches Gewissen.“ Er kündigte eine Vertrauensstelle bei den Behörden an, an die sich Informanten bei Tierschutzverstößen wenden können. Zudem sollten bestimmte Kennzahlen etwa zu Notschlachtungen oder zur Sterblichkeit von Tieren systematischer erfasst werden, erklärte Glauber – sodass bei auffälligen Zahlen oder Abweichungen Alarm ausgelöst werde. lby