Flughafen suspendiert Betriebsrat

von Redaktion

Der Flughafen München hat einen Betriebsrat suspendiert. Dem türkischen Arbeitnehmer wird vorgeworfen, einen Kollegen als Anhänger der Gülen-Bewegung denunziert zu haben. Der Staatsschutz ermittelt wegen des selten angewandten Straftatbestands der politischen Verdächtigung.

VON DIRK WALTER

München – Bei der Aeroground, einem Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern, ist der Betriebsfrieden gestört. Die 100-prozentige Tochter der Flughafen-Gesellschaft München (FMG), die das Be- und Entladen der Flugzeuge managt, beschäftigt viele türkische Arbeitnehmer – und die sind über die politische Lage in ihrem Heimatland tief zerstritten. „Da zerbrechen Freundschaften“, berichtet ein Insider. „Die Leute machen nicht mehr Brotzeit miteinander, sondern gehen sich aus dem Weg.“

So tief sollen die Gräben mittlerweile sein, dass auch vor dem Anschwärzen missliebiger politischer Einstellungen nicht mehr zurückgeschreckt wird. Der Staatsanwaltschaft München I ging im Laufe des Juli die Anzeige eines Beschäftigten bei Aeroground zu. Der Mann, ebenfalls Türke, ebenfalls Betriebsrat, zeigte den Betriebsratskollegen M. U. (Name der Redaktion bekannt) an. U. habe ihn mit einem Schreiben an den Verein „Union Europäisch-Türkischer Demokraten e.V.“ (UETD) als Anhänger der Gülen-Bewegung angezeigt.

Dazu muss man wissen, dass die UETD als deutscher Ableger der Regierungspartei AKP gilt, also der Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Verfassungsschutzbericht stufte die UETD als inoffizielle Auslandsorganisation der AKP ein. Es bestehe „hierdurch die konkrete Gefahr“, so Oberstaatsanwältin Anne Leiding von der Staatsanwaltschaft München I, „dass der Geschädigte Willkürmaßnahmen der türkischen Behörden erleiden müsse und gegebenenfalls nicht mehr frei in sein Heimatland reisen könne“. Weil die Denunziation schriftlich erfolgt sein soll, sucht die Staatsanwaltschaft, die hier als sogenannte Staatsschutz-Abteilung zuständig ist, jetzt nach dem Schreiben. Als Straftatbestand kommt Paragraf 241a in Betracht – er stellt politische Verdächtigung unter Strafe.

Für U. hatte die Anzeige dramatische Konsequenzen: Das Büro des freigestellten Betriebsrats am Flughafen wurde vom Staatsschutz der Kripo Erding durchsucht, Handys und Computer beschlagnahmt. „Vor dem Hintergrund der Schwere der Vorwürfe“, so ein Flughafen-Sprecher, verfügte der Personalleiter zudem ein Hausverbot „im Sinne der Risikovorsorge und aus Gründen der Fürsorgepflicht für die Belegschaft“. Das Luftamt Südbayern zog auch seinen Hausausweis ein – U. darf den Flughafen nicht mehr betreten.

Der Vorfall ist auch dank eines Flugblatts der Gewerkschaft Verdi unter der Belegschaft mittlerweile Tagesgespräch. Verdi sieht in der Suspendierung nämlich eine Behinderung der Betriebsratsarbeit. „In unserem Rechtssystem gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung“, heißt es in dem Flugblatt. Mit so einem Vorgehen, heißt es bei Verdi, könne man ja praktisch jeden Betriebsrat lahm- legen. „Wir fordern den Arbeitgeber auf, das Hausverbot sofort aufzuheben und das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.“ U. zog wegen der Suspendierung sogar vor das Arbeitsgericht, wo er mit seinem Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Suspendierung jedoch scheiterte. Der Flughafen weist den Vorwurf von Verdi zurück: „Uns geht es in keinster Weise um die Behinderung von Betriebsrats-Tätigkeiten.“ Zuletzt habe sich das Gremium außerhalb des Flughafens getroffen.

U. indes ist – bei fortlaufenden Bezügen – vorerst zur Untätigkeit verdammt. „Es wird derzeit die EDV ausgewertet, was erfahrungsgemäß mehrere Monate in Anspruch nimmt“, teilt die Staatsanwaltschaft mit.

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