Damit Dialekt nicht Geschichte wird

von Redaktion

INTERVIEW Mundart als „Lebensgfui“: Bairische Sprachwurzel für Richard Loibl

Straubing – Die bairische Sprache ist kein Fall fürs Museum. Zumindest noch nicht. Da ist sich Historiker Richard Loibl sicher. Egal, ob in den Medien oder im Gespräch mit Staatsmännern – der 53-Jährige spricht konsequent Dialekt. Das rechnet ihm der Bund Bairische Sprache hoch an: Beim Straubinger Gäubodenfest ehrte die Jury den gebürtigen Niederbayern, der die bayerischen Geschichts-Museen in Regensburg und Augsburg leitet, gestern mit der „Bairischen Sprachwurzel“.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Loibl! Wie hat Ihnen die Laudatio gefallen?

Guad! Es war trefflich formuliert, dass für Historiker wie mich die Wahrhaftigkeit wichtig ist. Sie kombiniert sich bei mir mit einer bayerischen Art der Vermittlung, hieß es.

LMU-Professor Hermann, der Laudator, bezeichnet Sie als Vorbild. Sehen Sie sich auch so?

Na, so fühl i mi ned. I bin eher a bissl widerständig. Obwohl ich oft zwischen Minga, Franken und Schwaben unterwegs bin, hab’ ich mir meinen mittelbayerischen Slang bewahrt. Ich red’ in Oberbayern einen anderen Dialekt als in Niederbayern oder im Norden der Republik. Aber niemals Schriftdeutsch.

Wie reagieren Ansprechpartner und Umfeld darauf?

Zu 99 Prozent bringt mir das Sympathiewerte ein.

Und das restliche eine Prozent?

Mit der Schriftsprache verbindet man ein gewisses Bildungsniveau. Mit dem Dialekt ein niedrigeres. Dieses Vorurteil begegnet mir immer wieder.

Wofür steht der Dialekt?

Fürs Lebensgfui, für Heimat, sprachlichen Reichtum und für a Mordsgaudi.

Wie hat Sie die bairische Sprache auf Ihrem Werdegang begleitet?

Ich war Schüler eines Benediktiner-Gymnasiums. Unser Abt hat gesagt: „So Buam, jetz’ lern ma erst a moi Latein, dann Hochdeitsch, und wennd’s aufm Pausenhof aussi geht’s, dann red’s Boarisch – wei so red’ da Herrgott.“

Dieses Selbstbewusstsein haben Sie sich bewahrt.

Je nach Situation red’ ich unterschiedliches Bairisch. In Franken versteht man tiefes Niederbairisch nicht. Man findet immer a scheens Level.

Ist Bairisch eine „Kultursprache“, wie sich Ihr Laudator ausdrückt?

Auf alle Fälle! Der immense Reichtum, der da drin steckt! Selbst in der Gesichtsgestik. Des is einfach Wahnsinn. Auch mit den kleinen Nuancen, die sich in den Regionen unterscheiden. Des ist a unglaublicher Reichtum und a unglaubliche Freid. Eine Riesenbereicherung, sich mit Dialekten zu befassen. Dadurch lernt man andere Kulturen erst so richtig kennen.

Haben Sie ein bairsches Lieblingswort?

Ja: Mausdoudschmatzer. Das ist der Superlativ vom Gscheidhaferl.

Sind Sie in der Öffentlichkeit ein Exot?

Na, bei mir passt’s zu meim Beruf. Es ist eine Form von Authentizität. Wie ich rede, wird akzeptiert, weil ich mich anpassen kann, ohne mich anzubiedern. Der Dialekt kann auch ausgrenzen. Deswegen ist es wichtig, dass man das Bairische in Abstufungen beherrscht.

Allgemein wird weniger Dialekt gesprochen. Wird er ein Fall fürs Museum?

Da halte ich es mit Karl Valentin: Prognosen sind schwierig, vor allen Dingen, wenn sich’s um die Zukunft handelt.

Haben Sie Ideen zur Rettung?

Dialekt reden! Und wenn man dadurch nur die Existenz verlängert. Momentan schaut’s aus, als wenn’s nicht für die Ewigkeit wäre. Aber was ist schon für die Ewigkeit? Vielleicht hört es sich in 50 Jahren anders an, vielleicht gibt es ja andere Formen.

Bleiben wir optimistisch. Wie feiern Sie jetzt ihre Auszeichnung?

Ich geh’ in ein Festzelt. Da war ich seit 30 Jahren nicht mehr, auch nicht auf dem Oktoberfest. Mir is des zu vui Rummel. Danach nimmt meine Frau den Preis mit nach Augsburg und ich mach’ mit am Freind eine Radltour – von Straubing über Cham Richtung Nordsee.

Interview: Corinna Kattenbeck

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