Das Ende der „männlichen Monokultur“

von Redaktion

Wie ist es denn nun: Will Papst Franziskus Reformen oder nicht? Und wenn ja, welche? Passend zu den bevorstehenden spannenden Monaten in der katholischen Kirche mit der Amazonas-Synode und Rom und dem geplanten „synodalen Weg“ in Deutschland haben der Jesuit Andreas R. Batlogg aus München und der österreichische Religionssoziologe Paul M. Zulehner ein Buch über Franziskus veröffentlicht: „Der Reformer. Von Papst Franziskus lernen – ein Appell“. Wir sprachen mit Andreas R. Batlogg über den Streit in der Kirche. Und die Chancen.

Jeder redet über Reformen in der katholischen Kirche. Ist diese Kirche überhaupt reformfähig?

Die Kirche ist immer reformbedürftig, sagt das letzte Konzil. Ich glaube fest daran, dass sie auch reformfähig ist. Dafür braucht sie natürlich mutige Leute. Ich denke, dass, mit Michael Seewald gesprochen, dem Dogmatiker aus Münster, der Kredit einer bestimmten Art, Kirche zu sein, erschöpft ist. Es braucht neue Formen von Kirche-Sein. Echte Reformen sind dafür nötig, keine kosmetischen Veränderungen.

Als Franziskus zum Papst gewählt worden war, galt er schnell als der Reformer. Was ist davon übrig geblieben? Muss man ihm das Attribut aberkennen?

Überhaupt nicht! Franziskus setzt auf Synodalität. Synodale Vorgänge brauchen aber Zeit. Der Papst hat bei der Familiensynode, der Jugendsynode und der jetzt bevorstehenden Amazonassynode den Arbeitsstil verändert. Es gibt freie Rede, den Wettstreit der Ideen. Argumente zählen. Nicht Polemiken. Aber ich räume schon ein: Die Großwetterlage in der Presse spricht gegen ihn. Ich denke, das sind mehr beharrende Kräfte in der Kurie oder auch hierzulande.

Was sind seine Erfolge?

Franziskus hat eine andere Pastoralkultur in der Kirche eingeführt, die sich allerdings auch in der Organisationskultur wird abbilden müssen. Es sind jetzt Themen besprechbar, die früher tabuisiert wurden. Noch einmal: Synodale Vorgänge brauchen Zeit. Es ist eher ein Problem auf der Ebene der Bischöfe, mit diesem Instrument einer hörenden Kirche zurechtzukommen.

Das betrifft den Weg, der in Deutschland eingeschlagen werden soll. Der „synodale Weg“ steht ja möglicherweise auf der Kippe, wie der Streit mit Rom zeigt. Wie gefährlich ist die Situation?

Die Rhetorik ist schon etwas scharf. Ich erinnere daran: Auf das Projekt des synodalen Weges haben sich die deutschen Bischöfe unter dem Eindruck der Missbrauchsstudie eingelassen. Es war ein einstimmiger Beschluss, es gab keine Gegenstimmen, später wurden einige Enthaltungen bekannt. Jetzt melden sich da und dort Bischöfe, die diesen Weg infrage stellen, bevor er begonnen hat. Unglückspropheten treten auf, die vor einem deutschen Sonderweg warnen. Eine Ortskirche dürfe keine Beschlüsse fassen, die die Weltkirche betreffen oder binden. Es solle keine Spaltung geben. Da werden Schreckensszenarien gemalt – ich verstehe das nicht! Die deutschen Bischöfe sollten mutig vorangehen und nicht alles kaputtreden. Es geht natürlich nicht nur um Strukturreformen, sondern um einen geistlichen Weg. Der wird nicht dadurch entstehen, dass man überall Warnsignale aufstellt. Die Frage ist: Sind wir eine einladende Kirche? Gibt es kirchliche Willkommenskultur? Oder sind wir eine Verbotskirche? Da kann man nach wie vor vom Papst lernen, auch wenn man ihm jetzt vieles in die Schuhe schiebt.

Was fordern Sie für die Zukunft der Kirche?

Es gibt viele Weckrufe, Manifeste und Streitschriften. Die Menschen möchten, dass jetzt etwas weitergeht. Ich habe Verständnis für gewisse Formen des pastoralen Ungehorsams. Es geht ums Eingemachte. Eine Kirche, die nur auf ihre Autorität pocht, gehört der Vergangenheit an.

Welche Formen des Ungehorsams meinen Sie?

Maria 2.0 ist eine Protestbewegung, die nicht von linken Rebellinnen kommt, sondern von Frauen, die zum katholischen Urgestein gehören – das sollte alarmieren. Der Moraltheologe Daniel Bogner regte eine Art Generalstreik an – als „Akt des zivilen Widerstands gegen die fortdauernde und scheinbar unverrückbare Unterordnung weiblicher Seelsorgerinnen“. Das verstehe ich voll und ganz. Statt Laien zu klerikalisieren, sollten Bischöfe in Rom auf einen erweiterten Zugang zur Weihe drängen, trotz aller Vorbehalte. Identifikation entsteht durch Beteiligung. Ich wünsche mir ein Ende der männlichen Monokultur in der Kirche.

Der Reformer. Von Papst Franziskus lernen – ein Appell

von Andreas R. Batlogg/Paul M. Zulehner, Verlag Echter, Würzburg, 216 S., 14,90 Euro

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