Bayerns Weißwurst-Mekka

von Redaktion

Hier geht es um die Wurst: Jeden Donnerstag pilgern hunderte Besucher nach Baindlkirch zum traditionellen Weißwurstfrühstück. Ein Blick in den Kochtopf des Weißwurst-Meisters.

VON CLAUDIA SCHURI

Baindlkirch – Einmal sind sogar sechs Bundeswehrhubschrauber in Baindlkirch gelandet, einem knapp 800-Seelen-Dorf im Landkreis Aichach-Friedberg. Der Grund: Die Besatzung war hungrig. Und wer hungrig ist und Weißwürste mag, der kommt am Donnerstag zwischen 5 und 12.30 Uhr nach Baindlkirch. „Die Soldaten haben ihre Würste gegessen und dann mit ihrem Manöver weitergemacht“, erzählt Peter Neumeier, ein gestandener Mann mit Schnauzer, kariertem Hemd und Strickweste. Der 59-jährige Metzgermeister hat in Baindlkirch ein Mekka für Weißwurst-Freunde geschaffen.

Weil es vor Ort keinen Metzger gab, begann er 1984 Würste herzustellen. Den Arbeitern bei einer Baustelle hat es so gut geschmeckt, dass sie ihre Brotzeit gleich vor Ort essen wollten. Neumeier stellte ein paar Biertische auf – und immer mehr Leute kamen. Bald bauten der 59-Jährige und sein Schwiegervater ihre Garage zur Halle und den Schweinestall zu Toiletten aus, um alle Gäste bewirten zu können. Jetzt pilgern jeden Donnerstag oft über 1000 Bayern und Touristen aus aller Welt nach Baindlkirch. „Schwaben wollen ihre Wurst fester, Münchner lockerer“, sagt Neumeier. „Da ist es nicht leicht, ein Rezept zu finden, das für alle passt. Aber wir haben es.“

Was den Gästen so gut schmeckt? „Dass die Würste so frisch sind“, findet Wolf Götze aus München, der gemeinsam mit ein paar Freunden draußen auf einer Bierbank sitzt. Sie alle sind über 70 und Rentner, haben also jede Woche Zeit, um die Weißwürste, das Stück für 70 Cent, mit süßem Senf, Brezn und einem Weißbier zu genießen. „Die Geselligkeit spielt natürlich auch eine wichtige Rolle“, sagt Götz.e „Man lernt immer jemanden kennen“, berichtet auch Leonhard Hiereth (53), der fast 50 Kilometer von Schrobenhausen mit dem Fahrrad nach Baindlkirch gefahren ist und seine Würste ganz nach bayerischer Tradition zuzelt.

In der Halle treffen sich alle: Arbeiter wie Anwälte, junge Familien wie Senioren. Einer der jüngsten Weißwurstfans ist die 14 Monate alte Leonie. Sie ist mit ihren Eltern Anastasia und Christian Potye sowie ihren Urgroßeltern Herta und Michael Schütz aus Augsburg gekommen. „Als Baby war sie schon einmal dabei, aber da hat sie natürlich noch nicht viel mitbekommen“, erzählt Anastasia Potye. Dafür mampft Leonie die Wurst aus Mamas Hand jetzt umso lieber.

Währenddessen herrscht in der Küche Hochbetrieb. Drei Metzger sind seit drei Uhr morgens auf den Beinen, um die Würste zuzubereiten. Max Göschl, weiße Stiefel, weißer Schurz, weiße Kappe, ist für das Brät und den guten Geschmack der Würste zuständig. Seit 20 Jahren arbeitet er in Baindlkirch: „Je mehr Betrieb, desto lieber ist es mir“, erzählt der 60-Jährige. Gewissenhaft wiegt er alle Zutaten ab, bevor sie im Kutter vermengt werden.

Was das Weißwurst-Geheimnis ist? „Das wird nicht gerne verraten“, sagt er und grinst. Hinein in die Würste kommt auf jeden Fall Schweine- und Kalbfleisch, Speck, Salz, Gewürze und, ganz wichtig: „Wir arbeiten nur mit frischer Petersilie.“ Rund 500 Kilogramm Fleisch verarbeitet Göschl an einem guten Donnerstagvormittag. Wenn das Brät fertig ist, wird es in saubere Naturdärme abgefüllt. Anschließend werden die abgedrehten Würste, jede ist 70 Gramm schwer, in drei Wasserkesseln gebrüht. „Die Leute bekommen die Würste direkt frisch aus dem Kessel“, verspricht Göschl. Doch wie isst man die Weißwurst richtig? „Ich schneide die Haut ein und esse sie dann mit der Hand“, sagt er. „Aber das kann jeder machen, wie er will.“ Theoretisch könnte man sogar die Haut mitessen. „Das wäre kein Problem“, sagt der Metzger. „Ich habe es auch schon gemacht.“

Egal ob mit oder ohne Besteck – Hauptsache es schmeckt. Chef Peter Neumeier kann sich an japanische Gäste erinnern, die verzweifelt versucht haben, die Haut von der Wurst zu bekommen. „Bei ihrem Teller hätte man meinen können, es wäre etwas passiert“, erzählt er. „Aber ich stelle mich mit Staberl ja genauso an.“

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