München – „Das Thema treibt mich seit Langem um“, sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) gestern im Rahmen einer Pressekonferenz bei der Münchner Staatsanwaltschaft. „Wir müssen die Verrohung der öffentlichen Diskussion stoppen. Sie stellt eine Gefahr für die Demokratie und den Rechtsstaat dar.“
Unter dem Motto „Erst anzeigen, dann löschen“ hat die bayerische Justiz deshalb eine Kooperation mit insgesamt 60 Medienhäusern vereinbart. Redaktionen können seit Montag mithilfe eines Online-Formulars und einer Datenbank Bildschirmfotos von Hass-Kommentaren direkt an die Staatsanwaltschaft übermitteln. Dort prüfen Experten, ob eine Straftat vorliegt.
Die Zusammenarbeit mit der Strafverfolgungsbehörde sei ein „Signal für Meinungsfreiheit und gegen Hass, Antisemitismus und Volksverhetzung“, sagte BLM-Präsident Siegfried Schneider über das Projekt. Eisenreich zufolge sollen die Hetzer mithilfe der neuen Internet-Lösung noch effektiver ausfindig gemacht werden. „Es ist ein einfaches und unkompliziertes Verfahren.“ Der Minister betonte: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Im Netz gelten die gleichen Gesetze wie im realen Leben.“ Die Haltung, dass Absender von Hass-Kommentaren sich im Internet sicher fühlen, will Eisenreich „dringend ändern“. Auch um Nachahmer in die Schranken zu weisen.
Zuletzt war Katharina Schulze, Fraktionschefin der bayerischen Grünen, mehrfach von Hetzern attackiert worden. In einem Fall konnte die Polizei den Täter kürzlich aber bereits innerhalb eines Tages ausfindig machen.
Für Aufsehen hatte auch das Urteil im Fall von Ex-Bundesministerin Renate Künast (ebenfalls Grüne) gesorgt, die einen Hetzer verklagt hatte. Trotz extrem hässlicher Worte gegen Künast sahen Berliner Richter aber keine Beleidigung vorliegen.
Als schwierig erweist sich derzeit noch die Zusammenarbeit zwischen Justiz und sozialen Medien: Tauchen dort strafbare Inhalte auf, werden diese vom Portal meist schnell gelöscht – und damit wird verhindert, dass es zur Anzeige kommt. „Die Beweissicherung ist ein wichtiges Thema“, hatte Eisenreich bereits am Dienstag im Presseclub gesagt. „Wir haben einen Auskunftsanspruch für die Strafverfolgung. Aber Facebook gibt nicht immer die Daten raus. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Ich erwarte, dass soziale Medien sich auch sozial verhalten.“
Unverändert bleibt, dass Privatpersonen nur bei der Polizei Anzeige erstatten können, wenn sie Hetzer entdecken – am besten per Screenshot. Das hatte auch Moderator Richard Gutjahr getan. Er und seine Familie waren mit Hass übersät worden, nachdem er über den Terroranschlag von Nizza und den Münchner Amoklauf berichtet hatte. Im Presseclub sprach Gutjahr von einer Hassspirale, bei der sich die Hetzer sogar gegenseitig zu übertreffen versuchen. Unter ihnen seien auch Lehrer, Ärztinnen und junge Väter.