Zweitwohnungssteuer zum Teil gekippt

von Redaktion

110 Touristenorte und Unistädte in Bayern bitten Zweitwohnungsbesitzer zur Kasse. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwingt die Hälfte, vor allem kleinere Gemeinden, zur hastigen Überarbeitung ihrer Satzungen.

VON DIRK WALTER

Karlsruhe – Universitätsstädte und Urlaubsorte erheben oft eine Zweitwohnungssteuer – bei der Berechnung dürfen sie sich aber nicht mehr auf Daten aus den 1960er-Jahren stützen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Richter gaben zwei Klagen von Wohnungseigentümern gegen die Steuern in Oberstdorf und Sonthofen statt. Die Satzungen dort müssen überarbeitet werden, wie das Gericht mitteilte. (Az. 1 BvR 807/12 u.a.)

Nach Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds erhebt bundesweit eine dreistellige Zahl von Gemeinden eine Zweitwohnungssteuer. In Bayern sind es etwa 110 Kommunen. Etwa die Hälfte davon sei so vorgegangen wie Oberstdorf und Sonthofen, schätzt der Bayerische Gemeindetag. Dort wurde die Zweitwohnungssteuer nach der sogenannten Jahresrohmiete berechnet. Weitere Beispiele sind etwa Wallgau, Mittenwald oder Garmisch-Partenkirchen, wo gerade erst der Steuersatz von neun auf 20 Prozent der Jahresrohmiete erhöht wurde. Ausgangsbasis sind Grundstücksbewertungen aus dem Jahr 1964, die nach dem Verbraucherpreisindex, also nach der Preissteigerung, hochgerechnet wurden. Das gehe nicht, urteilten die Richter in Karlsruhe. Sie verwiesen dazu auf ihr Verfassungsgerichtsurteil zur Grundsteuer aus dem April 2018. Damals hatte der Erste Senat die zugrunde liegenden Vorschriften zur Einheitsbewertung von Grundstücken nach den Verhältnissen von 1964 ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. Die Grundsteuer muss deshalb bis Jahresende reformiert sein. Auf demselben verfassungswidrigen Prinzip fußen die nun bemängelten Steuern. Auch hier könne es zu erheblichen Wertverzerrungen kommen, heißt es in dem Beschluss – etwa weil sich Ausstattungsstandards oder die Anbindung von Immobilien geändert haben.

„Die Gemeinden haben jetzt ein echtes Problem“, sagt der Sprecher des Gemeindetags, Wilfried Schober. Denn das Gericht hat eine enge Frist gesetzt, um die Satzungen zu überarbeiten – bis Ende März 2020. Rechtens ist allein eine Berechnung der Zweitwohnungssteuer nach der Nettokaltmiete, wie es zum Beispiel in Tegernsee oder Bad Wiessee praktiziert wird. Zumeist wird dazu ein Mietspiegel herangezogen. Das Problem: Kleinere Gemeinden haben oft keinen Mietspiegel. Nun müssen die Gemeinden sehen, welche Grundlage sie zur Neuberechnung verwenden, etwa verschiedene Mietverträge, die sie sich auf welchen Wegen auch immer besorgen. Im Gemeindetag ist man nach dem Urteil gestern bereits tätig geworden – es gibt Beratungen mit dem Bundesverband. „Jetzt ist Eile geboten“, sagt Schober.

Der Gemeindetag geht aber nicht davon aus, dass aktuelle Steuerbescheide rechtswidrig sind. „Im nächsten Jahr würde es aber kritisch.“

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