München – Der Begriff „Kampfhund“ ist in Tierheimen nicht gern gehört. Zu negativ. Christine Hermann, Leiterin des Tierheims Starnberg, erklärt warum: „Wie gefährlich ein Hund ist, hängt nicht von der Rasse ab. Es kommt darauf an, wie der Halter ihn erzieht und führt.“ Sie redet lieber von „Listenhunden“. Aber diese Rassenliste, auf der die verbotenen Hunde stehen, würde sie am liebsten ganz abschaffen.
Und das hat einen Grund: In Bayerns Tierheimen landen immer mehr Kampfhunde. Allein im Münchner Tierheim werden mittlerweile 30 bis 50 Listenhunde pro Jahr aufgenommen, vor einigen Jahren war es gerade mal die Hälfe. Sie werden beschlagnahmt, weil ihre Besitzer keine Erlaubnis für sie haben oder weil die Hunde auffällig geworden sind. Doch im Gegensatz zu den anderen Tierheimbewohnern lassen sich Listenhunde kaum weitervermitteln – weder in Bayern, noch in andere Bundesländer oder nach Österreich. So werden die Tierheime immer voller. Und die Leiter fühlen sich vom Staat im Stich gelassen.
Denn seit 1992 gilt in Bayern die sogenannte Kampfhundeverordnung, eine der schärfsten in ganz Deutschland. Die neue Regelung war eine Reaktion auf mehrere tödliche Angriffe. In die Kategorie 1 dieser Verordnung fallen fünf Hunderassen: American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Tosa-Inu und Bandog. Ihre Halter brauchen eine spezielle Erlaubnis, die allerdings extrem selten erteilt wird. „Bei diesen Hunden wird die Kampfhundeigenschaft unwiderlegbar vermutet“, erklärt Oliver Platzer vom Innenministerium.
Doch gerade das ärgert Claus Reichinger, den stellvertretenden Vorsitzenden des Tierschutzvereins München: „Das ist absolut falsch und in vielen Fällen widerlegt worden. Diese Hunde sind nicht per se gefährlicher als jeder andere Hund.“ Er verweist auf weltweit anerkannte Studien, die das belegen. Statt alle Listenhunde „über einen Kamm zu scheren“, wollen Reichinger und seine Kollegen sich lieber jeden Hund und Halter genau ansehen. Maßnahmen wie einen Hundeführerschein, einen Sachkundenachweis oder auch Leinen- und Maulkorbauflagen in Gemeindegebieten hält er für sinnvoller als ein generelles Verbot. Das Innenministerium will jedoch an der Verordnung festhalten. „Für uns ist der Schutz der Bevölkerung das Wichtigste. Da wollen wir auch keine Abstriche machen“, sagt Platzer. Daran würden auch volle Tierheime nichts ändern.
In der zweiten Kategorie der Verordnung werden 14 weitere Hunderassen aufgelistet, darunter etwa der Rottweiler. Auch bei ihnen wird die Kampfhund-Eigenschaft angenommen. Der Halter kann einen Wesenstest mit seinem Hund machen, um zu beweisen, dass er nicht aggressiv ist. Ein Sachverständiger überprüft, wie sich der Hund im Alltag mit anderen Artgenossen und Menschen verhält. Lässt sich der Hund streicheln? Zeigt er Revierverhalten? Gehorcht er? Der Gutachter soll so feststellen, ob der Hund gesteigert aggressiv ist und legt die Auflagen fest.
Solche Wesenstests würden sich die Tierheime statt des allgemeinen Verbots auch für die Kategorie-1-Hunde wünschen. Nicht nur, um volle Heime zu vermeiden, sondern auch im Sinne der Tiere. Außerdem müsse schon bei der Beschaffung der Hunde angesetzt werden. „Dass die Hunde nach Deutschland kommen und bei uns verboten sind, ist das eigentliche Problem“, sagt die Starnberger Tierheimleiterin Hermann. Auch Reichinger fordert, dass bei der Anmeldung der Hunde eine Kontrolle angesetzt werden sollte. „So kann keiner mehr sagen, er hat einen Boxer, der in Wirklichkeit ein Listenhund ist.“ Und dann bei ihm im Tierheim landet.
Wer etwa in München einen Hund abgeben will, muss sich in eine Warteliste eintragen und mehr als vier Wochen warten. Ein „normaler“ Hund bleibt rund ein bis zwei Monate im Tierheim. Die Listenhunde sind bis zu einem halben Jahr dort, weil sie in anderen Bundesländern und Österreich nur noch selten ein Zuhause finden. Derzeit sind im Münchner Tierheim zwölf Listenhunde untergebracht, das sind zehn Prozent aller Hunde.
Auch ihren Langzeitgästen versuchen es die Tierheimmitarbeiter so angenehm wie möglich zu machen. Sie bekommen Auslauf, jeder hat sein eigenes Körbchen und sein Lieblingsspielzeug. Teilweise leben sie sogar als Gruppen in sogenannten Hunde-WGs.
Zudem wird mit einem auffälligen Listenhund, wie mit jedem anderen Hund, so lange trainiert, bis er wieder resozialisiert ist. Und doch ist die Zeit im Heim nicht zu beschönigen. „Ein Tierheim ist keine Dauerlösung“, sagt Reichinger. „Das macht einen Hund kaputt.“