Geschichten von wunderhaften Heilungen

von Redaktion

Das Münchner Erzbistum hat einige seiner historischen Mirakelbücher im Internet veröffentlicht. Zu lesen sind Geschichten von Wunderheilungen und Rettungen aus größter Not – dank ungewöhnlicher Mittel und mächtiger Fürsprecher.

VON CLAUDIA SCHURI

München – Es sind die Schicksale der einfachen Menschen, der Bauern, Knechte, Mägde und Handwerker, die bei Geschichtsschreibern oft untergehen. Anders ist es bei den Mirakelbüchern: Dort geht es genau um deren Alltag und Sorgen. „Es gibt tausende Geschichten über sie“, sagt Roland Götz, Archivar in der Erzdiözese München und Freising.

Mirakelbücher aus Egern, Föching, Irschenberg und Tegernsee (alle Landkreis Miesbach) können ab sofort im Internet im neuen Online-Archiv des Erzbistums München und Freising eingesehen werden. Weitere Bücher aus Dorfen (Kreis Erding) sollen folgen. Die Dokumente stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und erzählen von Menschen, die sich bei Krankheiten oder Problemen an die Heiligen gewandt haben. Hatten sie Erfolg, wurde das bis zur Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts in Büchern dokumentiert. „In der Blütezeit der Wallfahrten war ganz Bayern übersät von solchen Büchern“, sagt Götz. „Einmal im Jahr hat der Geistliche von der Kanzel aus alle Erhörungen vorgelesen.“

Da ist zum Beispiel Wolfgang, der 13 Wochen seinen Arm nicht heben und „keine Handarbeit machen“ konnte. Er pilgerte zur Wallfahrtskirche Wilparting am Irschenberg und verlobte sich den Heiligen Marinus und Anianus. Sollte sein Arm heilen, würde er eine Messe angeben, zwei Rosenkränze beten und zehn Kreuzer in den Opferstock werfen, versprach er – und tatsächlich ging es ihm besser. Ein anderer Bauer bat um Hilfe für sein krankes Ross und spendete als Dank dafür ein Wachspferd. „Solche Geschenke hat es immer wieder gegeben“, sagt Götz. „Um Heilung zu finden, haben die Leute hohe Unkosten auf sich genommen und vieles ausprobiert.“

Ein Vater, dessen Tochter unter „Fallsucht“, also unter Epilepsie, gelitten hatte, war schon zu vielen Kirchen gepilgert und hatte viel Geld in Medizin investiert. Nichts hatte Erfolg – bis er in Föching um Hilfe bat. „Ab dann wurde sie innerhalb eines Jahres nur ein Mal von der Erkrankheit ergriffen“, heißt es in dem Mirakelbuch.

„Je ausführlicher die Geschichten beschrieben werden, desto interessanter sind sie“, findet Götz. In Tegernsee zum Beispiel hofften die Gläubigen auf die Wirkung des Quirinusöls. „Im 15. Jahrhundert wurde am Westufer des Sees Erdöl entdeckt“, erklärt der 56-Jährige. Dort, wo heute Bad Wiessee ist, wurde das Öl mit Drainagegräben aufgefangen. „Es galt als Heilmittel“, sagt Götz. „Man hat damit inhaliert, sich eingerieben oder es mit Wein zu sich genommen.“ Ignaz Cajetan Kopf, Hofeinheizer aus Freising, klagte 1754 seit fünf Jahren über Schmerzen auf der Brust. Er versprach dem heiligen Quirin lebenslängliches Gebet – „und hat durch Gebrauch des Heilöls Hilfe erlangt“, heißt es in dem Schriftstück. Seine Ehefrau Maria Eva bestrich mit dem Öl außerdem ein „ein viertel Jahr altes Knäblein“, das „von Fluss aus den Ohren überfallen war“ – auch hier soll das Mittel gewirkt haben.

Namen, Herkunft und Beruf vieler Personen sind in den Büchern genau notiert. „Wer sich für Familiengeschichte interessiert, kann in den Büchern vielleicht auch etwas über seine Vorfahren ausfindig machen“, sagt Götz. Nur eine Herausforderung gibt es: Die Bücher sind in deutscher Schrift verfasst. „Aber es lohnt sich, sie zu lesen“, betont er. „Manche sind spannend wie ein Film.“

Das trifft zum Beispiel auf die Berichte über die Sendlinger Mordweihnacht im Mirakelbuch von Egern zu. Weihnachten 1705 lehnten sich bayerische Bauern gegen die österreichische Besatzung auf. In Sendling kam es zu einem Blutbad, über 1000 Aufständische starben. Michael Püchl aus Egern hatte Glück und konnte fliehen. In einem Buch wird erzählt, wie er in die Isar getrieben und zwei Mal vom reißerischem Wasser mitgerissen wurde. Er rief Maria von Egern um Hilfe – und wurde ans Ufer getrieben. Püchl konnte sich hinter Stauden verstecken und schaffte es nach Hause. „Auch die große Geschichte findet in den Büchern Niederschlag“, sagt Götz.

Die Mirakelbücher

sowie weitere Dokumente wie historische Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher der Erzdiözese sind online unter www.erzbistum-muenchen.de/archiv-und-bibliothek zu finden.

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