Schwabmünchen – Seine Fußsohlen sind von einer dicken Hornhautschicht überzogen – noch immer. Er wäscht seine Füße viel – doch die dunkle Verfärbung bekommt er nicht mehr richtig weg. Kein Wunder: Rainer Graf läuft in seiner Freizeit barfuß. Ob Sommer oder Winter, ob Regen oder Schnee: Außerhalb seiner Arbeit bewegt den 52-Jährigen aus Schwabmünchen im Landkreis Augsburg seit fünf Jahren nichts mehr dazu, sich feste Schuhe anzuziehen. Vor Kurzem hat sich der geübte Barfuß-Gänger einer großen Herausforderung gestellt: Er hat den Meraner Höhenweg bewältigt – freilich ganz in seinem Stil: ohne Schuhe. 91 Kilometer, 5000 Höhenmeter und das in sieben Tagen. Mindestens acht Stunden pro Tag musste er dafür wandern.
Rainer Graf wollte mit diesem Projekt größtmögliche Aufmerksamkeit. Aber nicht für sich. Sondern um Spenden für das Kinderhospiz St. Nikolaus in Bad Grönenbach zu sammeln. „Das ist meine Art, dem Universum Danke zu sagen.“
Graf ist unendlich froh, dass sein Sohn gesund aufgewachsen ist. „Dieses Glück haben nicht alle Menschen“, sagt er. Bei einem Ausflug nach Bad Grönenbach fiel ihm ein neues Gebäude auf. Neugierig forschte er im Internet nach und fand heraus, dass es sich um das Kinderhospitz handelte. „Das hat mich ganz tief berührt. Ab dem Moment wollte ich etwas dazu beitragen“, erklärt Graf.
Also ging er im Sommer sieben Tage lang durch teils hochalpine Passagen, über steinige Wanderwege, durch eisige Bäche, über rutschiges Geröll und an der höchsten Stelle sogar durch knietiefe Schneefelder. „Es war sowohl körperlich als auch geistig wahnsinnig anstrengend. Man muss immer hochkonzentriert mitdenken, wo man als nächstes hintritt.“
Nach der Hälfte der Strecke hatte Graf starke Schmerzen und Blutblasen an den Füßen. Kein Wunder, dass der Extremwanderer auch Tiefpunkte hatte, in denen er am liebsten alles hingeschmissen hätte: „Am vierten Tag beim Abstieg von 3000 Metern waren die letzten Stunden die Hölle, ich hatte Schmerzen die sich vom Fuß bis zum Kopf gezogen haben.“ Erst musste er sich – wohlgemerkt in kurzer Lederhose – durch tiefe Schneefelder kämpfen. Danach haben Steine auf einem Forstweg Grafs Fußsohlen wundgescheuert. „Außerdem war es an manchen Passagen wahnsinnig rutschig“, erinnert er sich. Aber Aufgeben war nie eine Option für ihn. Rainer Graf ging weiter. Im Schneckentempo und mit Blutblasen an den pechschwarzen Füßen.
„Ich hatte immer eine Fahne dabei, um darauf aufmerksam zu machen, für was ich das alles tue.“ Er wurde oft von anderen Wanderern angesprochen. „Ich habe durchweg positive Rückmeldungen bekommen, manche waren so gerührt, dass sie sogar zu weinen angefangen haben.“ Genau diese Momente haben ihn immer aufs Neue motiviert, weiterzumachen. Nicht selten kommen ihm selber die Tränen, wenn er über das Kinderhospiz redet. Tränendes Mitgefühls, Tränen der Rührung.
Doch der harte Weg, die Schmerzen, die Blutblasen und Tränen haben sich gelohnt. Schließlich sind mittlerweile schon über 7000 Euro durch den unüblichen Spendenaufruf zusammengekommen – für die Unterstützung todkranker Kinder.
Zehn Tage hat es gedauert, bis die Verletzungen von der Extremtour an Grafs Füßen verheilt waren. Seitdem überlegt er, was er als nächstes machen könnte, um auf seine ganz eigene Art Geld für das Kinderhospiz zu sammeln.
Eine Art Wettlauf in den Bergen unter besonderen Umständen könnte er sich vorstellen. „Meine Frau hatte die Idee, dass ich barfuß gegen jemanden beim Wandern antrete, der sich durch etwas anderes den Weg erschwert. Zum Beispiel ein Feuerwehrmann, der in kompletter Dienst-Montur laufen muss“, erklärt er. Aber jetzt, über den Winter, müssen sich seine Füße erst mal erholen.