Freising – Als der erste Streifenwagen am Samstag gegen 22 Uhr am Rand der Freisinger Innenstadt anhält, fallen wieder Schüsse. Ein besorgter Anwohner hat Alarm geschlagen – und damit einen Großeinsatz ausgelöst: Rund 35 Polizisten plus Hundeführer nehmen die Spur auf, die sie in ein wild bewachsenes Waldgebiet an der Moosach südwestlich der Freisinger Innenstadt führt. „Hätte der Schütze nicht weiter geschossen, hätten wir ihn nicht gefunden“, sagt Polizeihauptkommissar Stefan Roith.
Und doch gestaltet sich die Suche schwierig. „Die Einsatzkräfte waren ungefähr 250 Meter entfernt, als sie den Schützen orten konnten.“ Das Flackern eines kleinen Feuers weist ihnen in der Dunkelheit die Richtung. „Aber das Gebiet war so dicht bewachsen, dass wir nicht hinkamen.“ Erst der Einsatz eines Hubschraubers hilft weiter. „Von der Luft aus war ein Trampelpfad zu erkennen.“ Durch Anweisungen von oben gelangen die Einsatzkräfte an einen kuriosen Ort. Vor ihnen stehen zwei Holzbehausungen, „notdürftig zusammengebaute Gartenhütten“. Auf einer überdachten Terrasse liegen zusammengeklappte Biertische, eine Aluleiter, Holzkohle, auch eine Gaslampe, Bierflaschen und Golfschläger haben sich dort angesammelt, in der Erde steckt eine Fackel. Am Lagerfeuer liegt der Schütze, schlafend und betrunken. Neben seiner rechten Hand liegt eine Schreckschusspistole. „Eine erlaubnisfreie Waffe, die er zwar führen, aber ohne kleinen Waffenschein nicht nutzen darf“, weiß Stefan Roith.
Von der Polizei geweckt, muss der Mann erste Fragen beantworten. Geschossen habe er nicht, gibt er an. Die Hütten im Wald nennt er als Hauptwohnsitz. Dort finden die Polizeibeamten diverse Munition und leere Patronenhülsen sowie 40 Gramm Marihuana, einen Wurfstern, ein Kampfmesser und auch zwei frisch gefangene Forellen. Ein Test bei dem Mann ergibt zwei Promille Alkohol.
Der Polizei gegenüber ist der Arbeitslose, ein 48-jähriger gebürtiger Freisinger, kein unbeschriebenes Blatt. „Polizeilich ist er schon sehr bekannt“, betont der Polizeihauptkommissar. „Er hat sich quer durch verschiedene Abteilungen des Strafgesetzbuches gearbeitet: Körperverletzung, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl, Hehlerei, Betrug.“ Mehrere Male sei er in Haft gesessen, zuletzt im Jahr 2004 für einen Monat. „Zuletzt ist er vor sechs Jahren in Erscheinung getreten.“
Eigentlich sollte der 48-Jährige am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt werden. Doch weil die Staatsanwältin vermutete, der vorliegende Fall reiche nicht aus für einen Haftbefehl, durfte er die Inspektion nach einer Nacht verlassen. Nun erwartet den Mann ein Ermittlungsverfahren wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, das Waffengesetz und – wegen Fischwilderei – gegen das Strafgesetzbuch. Ob der Einsiedler in seinem Wald-Versteck bleiben darf, ist laut Polizei noch unklar. „Es ist schwer nachzuvollziehen, wem das Waldstück gehört“, so Roith. „Vermutlich gehört es der Stadt Freising.“