München/Berlin – Vor zwei Wochen hat Hans-Joachim Weirather seinem Ärger Luft gemacht. In einem offenen Brief wandte sich der Unterallgäuer Landrat an die Staatsregierung. „Die Unterstützung, die wir erfahren, ist eine Farce“, schimpfte Weirather, in dessen Landkreis zuletzt mehrere schwerwiegende Verstöße gegen den Tierschutz bei drei Milchviehbetrieben aufgedeckt wurden. „Wir sind in eklatanter Weise unterbesetzt und können mit dem vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestellten Personal unserem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen.“ Das saß, zumal der Hauptadressat mit Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (FW) auch noch ein Parteikollege Weirathers ist.
Um die Wogen zu glätten, hat Glauber die Allgäuer Landräte am Montagabend zum Gespräch in sein Ministerium geladen. Am Tag drauf verständigte sich das Kabinett auf zusätzliches Personal zur Stärkung der Veterinärverwaltung. So sollen 22 Stellen direkt an den Landratsämtern neu geschaffen werden. Dazu kommen 20 Springer an den Bezirksregierungen, die aushelfen, wenn bei den Landratsämtern Not am Mann ist. Weitere 25 Stellen sind für die Anfang 2018 eingesetzte übergeordnete Kontrollbehörde für Großbetriebe (KBLV) geplant. Denn künftig soll die nicht nur für Lebensmittel- und Geflügelbetriebe zuständig sein, sondern auch für große Rinder- und Schweinehalter.
Für Jürgen Schmid, den Vorsitzenden des Landesverbands der beamteten Tierärzte, ist es höchste Zeit, dass bei den Veterinären aufgestockt wird. „Seit Jahren kommen für uns neue Aufgaben hinzu, ohne dass beim Personal reagiert wird.“ Die Folge: Kontrollen werden unter hohem Zeitdruck durchgeführt – oder sie finden gar nicht erst statt. Schmid rechnet für seinen Landkreis Traunstein vor: „Wir haben sechs Amtstierarztstellen für etwa 2500 Rinderhalter, rund 300 Schweinehalter und noch etwa 50 größere Geflügelbetriebe. Bei einem mittelgroßen Milchviehbetrieb brauchen zwei bis drei Tierärzte einen ganzen Tag für die Kontrolle.“ Dazu komme die Nachbearbeitung, die teils mehrere Tage in Anspruch nehme. So sei es völlig unrealistisch, bei jedem Betrieb regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion aus dem vergangenen Jahr ergab, dass Nutztierbetriebe in Bayern im Schnitt alle 48 Jahre kontrolliert werden.
Die neue übergeordnete Behörde bringe da nicht immer Entlastung, sagt Schmid. „Teilweise gibt es Überschneidungen bei der Zuständigkeit, das ist kontraproduktiv.“ Gerade bei Fleischbetrieben seien etwa die amtlichen Tierärzte weiter für die tägliche Überwachung zuständig, obwohl der Betrieb unter die Zuständigkeit der KBLV fällt. „Das bringt keine Erleichterung.“
Während der Freistaat versucht, bei den Tierschutzkontrollen nachzujustieren, sorgt ein Vorstoß aus dem Bundesernährungsministerium für Ärger bei Opposition und Veterinären. Denn das Ministerium von Julia Klöckner (CDU) will die Lebensmittelüberwachung nach eigener Aussage effektiver gestalten und den Ländern die Möglichkeit geben, ihre Kontrollen auf sogenannte Risikobetriebe zu fokussieren. Bislang sind Kontrollintervalle von höchstens täglich bis mindestens alle drei Jahre einzuhalten – künftig soll dies jedes Land selbst festlegen.
Für Veterinär Schmid hat dieser Vorschlag ein „Geschmäckle“. Er fürchtet, der Bund wolle durch weniger Kontrollen den Personalnotstand in den Ländern abfedern. Und auch aus der bayerischen Opposition gibt es lauten Widerstand: Als „kompletten Irrsinn“ bezeichnet Florian von Brunn (SPD) die Pläne. Es werde viel weniger Kontrollen geben, das sei angesichts der aktuellen Skandale „brandgefährlich“. Auch die Grünen sprechen von einem „Hochrisikokurs“. Minister Glauber begrüßt den Plan dagegen, weil er den Ländern mehr Flexibilität verschaffe. Bayern werde sich aber im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Reform zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes führe.