Lesemuffel im Klassenzimmer

von Redaktion

Zum zweiten Mal in Folge sind die Leistungen deutscher Schüler beim Pisa-Test schlechter ausgefallen. Der Abstand zur Weltspitze ist groß – und viele 15-Jährige kommen nicht mal mit einfachsten Aufgaben zurecht. Bayern bemüht sich derweil, die Ergebnisse zu relativieren.

VON JÖRG RATZSCH UND KATHRIN BRACK

München – Fast zwei Jahrzehnte nach dem großen „Pisa-Schock“ und dem anschließenden Aufwärtstrend zeigt die Leistungskurve der deutschen Schüler wieder eindeutig nach unten. Im internationalen Pisa-Vergleichstest schnitten die Deutschen in allen drei Testbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften schlechter ab als drei Jahre zuvor. Deutschland liegt zwar weiterhin über dem OECD-Durchschnitt. „Mittelmaß kann aber nicht unser Anspruch sein“, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU).

Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) beeilte sich entsprechend, die Ergebnisse aus bayerischer Sicht zu relativieren. „Für die bayerischen Schulen bringt Pisa keine wesentlichen neuen Erkenntnisse“, ließ der Minister nach Veröffentlichung des Rankings mitteilen. „Wir wissen aus Vergleichsstudien, wie stark sich die Ergebnisse zwischen den Bundesländern in Deutschland unterscheiden. Bayern liegt hier traditionell in Deutschland in der Spitzengruppe.“ Dennoch werde man die Ergebnisse nun sorgfältig analysieren und „bei Bedarf Rückschlüsse für unsere Bildungspolitik ziehen“.

Auf diese Rückschlüsse wartet Simone Fleischmann. Für die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) zeigen die Pisa-Ergebnisse vor allem, „wie sehr Bildungserfolg in unserem Land von sozialer Herkunft abhängt“. Diese Bildungsungerechtigkeit sei die größte Herausforderung. „Wir Lehrer brauchen keine Studie, um zu erkennen, welche Kinder in prekären Verhältnissen leben und gezielte Förderung bräuchten“, sagt Fleischmann. „Was wir brauchen, ist Zeit.“

Der Schlüssel zu einer besseren Förderung sowohl von schwächeren als auch hochbegabten Schülern heiße Multiprofessionalität: „Nur, wenn wir die Aufgaben aufteilen, können wir uns um alle Schüler bedarfsgerecht kümmern“, so Fleischmann weiter. Der BLLV plädiert dabei unter anderem für eine Verbesserung frühkindlicher Bildung und eine Neuerung der Finanzierung, „die in Bayern ja eigentlich vorhanden ist, nur nicht richtig verteilt wird“.

Die deutschen Schüler erzielten beim Pisa-Test in den drei Teilbereichen jeweils etwas weniger Punkte als bei der vorherigen Untersuchung, die 2016 veröffentlicht worden war. Im aktuellen Test ging es schwerpunktmäßig um die Lesekompetenz. Jeder fünfte 15-Jährige erreicht beim Lesen nur ein sehr geringes Leistungsniveau. Das heißt, er oder sie kann mit einfachen Leseanforderungen nicht umgehen.

Neben den Tests, die die Schüler absolvieren mussten, wurde auch das Thema „Lesefreude“ abgefragt. Jeder zweite befragte 15-Jährige sagte: Ich „lese nur, wenn ich lesen muss“ oder „um Informationen zu bekommen, die ich brauche“. Lesen als liebstes Hobby gab nur jeder Vierte an. Mehr Schüler (34 Prozent) sagten dagegen, für sie sei Lesen Zeitverschwendung.

Für Simone Fleischmann eine alarmierende Aussage. Zumal Lesekompetenz unabdingbar ist, „wenn man ganz oben mitspielen möchte“. Doch allein um die Kompetenzen gehe es nicht: „Wir brauchen eine Schule, die Freude vermitteln kann und sich um soziale Bedürfnisse kümmert“, sagt die BLLV-Präsidentin.

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