Servus Klößchen!

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER UND FABIAN NITSCHMANN

München/Bern – Heute ist Pfinsta. Während dem ein oder anderen dialekttreuen Altbayern diese Bezeichnung für den Donnerstag durchaus noch ein Begriff sein dürfte, würden wohl viele Grundschullehrer in leere Gesichter blicken, wenn sie damit ihre Schüler begrüßten. Wurden früher sogar noch Urkunden mit altbairischen Bezeichnungen für die Wochentage verfasst, sind diese Worte heute aus dem täglichen Gebrauch weitgehend verschwunden. „Sie wurden von der Standardsprache abgelöst“, sagt Andrea Schamberger-Hirt, Redaktionsleiterin des Bayerischen Wörterbuchs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Es ist ein Phänomen, das im gesamten deutschsprachigen Raum zu beobachten, oder besser, zu hören ist. Forscher der Universitäten aus Bern, Zürich und Salzburg haben nach der Auswertung von rund 770 000 Online-Fragebögen festgestellt, dass lokal verwendete Begriffe immer mehr von regionalen Bezeichnungen oder der Standard-Sprache ersetzt werden.

Ein Beispiel aus Ostdeutschland, das die Forscher ausgemacht haben: Während Bezeichnungen wie Beefsteak, Klößchen oder Kloß für das gebrutzelte Stück Hackfleisch an Bedeutung verlieren, sind im Osten der Klops und die Bulette auf dem verbalen Vormarsch. Im Westen dagegen steht der Klops auf verlorenem Posten, denn hier kommen weder er noch die Bulette an der Frikadelle, dem Fleischküchle oder dem bairischen Fleischpflanzerl vorbei.

Ein Grund für diese Entwicklung ist laut den Sprachforschern die gestiegene geografische Mobilität der Menschen. „Wenn man sich verstehen will, passt man sich an“, erklärt Adrian Leemann von der Universität Bern. Der Trend weg von lokalen Dialekten hin zum Hochdeutsch habe zudem eine soziale Komponente. „Der Hannoversche Standard hat mehr Prestige“, sagt Leemann. Weil Dialekte in Bayern sowie auch in Österreich und der Schweiz einen höheren Stellenwert hätten, verändere sich hier die Sprache allerdings nicht so schnell wie anderswo.

Bairisch-Spezialistin Andrea Schamberger-Hirt kann das nur bestätigen. „Gerade die Bayern definieren sich über ihren Dialekt, er gehört zum Heimatgefühl und wird immer noch gerne geredet.“ Aber auch im Freistaat sei die aktuelle Elterngeneration in einer eher dialektfeindlichen Zeit aufgewachsen. „In vielen Köpfen ist noch die Sicht, dass Dialekt ein Karrierehindernis sei.“ Deshalb gebe es viele Eltern, die mit ihren Kindern Standarddeutsch sprechen, obwohl sie des Bairischen durchaus mächtig wären.

Das hat zur Folge, dass auch in Oberbayern lokal gebrauchte Begriffe aussterben. Und zwar nicht nur, weil der technische Fortschritt sie überflüssig macht, wie in der Landwirtschaft, wo etwa der alte Holzwagen mit Luixen und Langwied kaum mehr zum Einsatz kommt. Andere Bezeichnungen sind einfach nur in die Jahre gekommen, wie der Schwartlingsbruder – so wurde im Ebersberger Raum früher ein Skifahrer genannt. „Der Schwartling ist das Randstück des Baumes“, erklärt Schamberger-Hirt. Doch schon im Bayerischen Wörterbuch wird der Begriff nur noch mit dem Hinweis „Erinnerungsform“ geführt. Die Sprachforscherin kann noch eine ganze Menge weiterer Beispiele nennen, wie den Fasching, der die Fosenacht abgelöst hat, oder den Diezi, der dem im Berchtesgadener Land früher gerne Deier genannten Schnuller Konkurrenz macht.

Auch die Ersteller der aktuellen Studie haben eine innerbayerische Besonderheit ausgemacht: eine Zeitangabe, die bei Gesprächen mit Gästen, die nördlich des Weißwurstäquators sozialisiert wurden, regelmäßig für Verwirrung sorgt. Die Bezeichnung Viertel elf für 10.15 Uhr hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung verloren. Stattdessen macht sich die für den Oberbayern einzig wahre Zeitangabe Viertel nach zehn deutschlandweit breit. Aber Vorsicht: In Franken ist Viertel elf noch durchaus gebräuchlich. Bei bezirksübergreifenden Terminabsprachen ist also bisweilen interkulturelle Kompetenz gefragt.

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