Es ist so weit: An diesem Sonntag beginnt beim MVV ein neues Zeitalter: Die mehrere Jahre lang diskutierte Tarifreform tritt in Kraft. Es wurde auch Zeit. Die letzte Tarifreform ist 20 Jahre her, seitdem rissen die Klagen über das komplizierte System mit Ringen und Zonen nicht ab. Doch ob das neue System leichter zu durchschauen ist? Hier ein Überblick über die Neuerungen und Übergangsregelungen.
Neue Zonen
Statt 16 Ringen und vier Zonen gibt es künftig sieben Tarifzonen: die Zone M, die ganz München mit angrenzenden Orten wie etwa Haar, Unterföhring, Lochhausen oder Gräfelfing umfasst, sowie sechs Zonen drumherum. Derzeit kosten vier Münchner Ringe 79,10 Euro im Einzelverkauf. Der Monatspreis für eine IsarCard in der M-Zone beträgt 55,20 Euro, im Abo hat man zwei Freimonate und kommt umgerechnet auf einen Monatspreis von 43,40 Euro. Das sei sensationell günstig, wirbt MVV-Chef Bernd Rosenbusch für „seine“ Reform. Schon im ungleich kleineren Stadtverkehr Rosenheim zahle man 50 Euro im Abo.
Der Vorteil der M-Zone: Sie umfasst ganz München. Der Nachteil: Die bisherigen vier Ringe gibt es nicht mehr. Wer bisher kleinteilig fuhr und beispielsweise wochenweise Tickets für Ring 1 und 2 zog, der muss jetzt zuzahlen. Beispiel: Die IsarCard (Woche) für die Strecke der U5 vom Laimer Platz zum Stachus kostet jetzt 17,10 Euro. Bisher zahlte man für die Ringe 1 und 2 nur 15,40 Euro.
Wichtig für Busfahrer: Es gibt (fast) keine Tarifgrenzen mehr durch geschlossene Ortschaften. Wohl aber liegen viele S-Bahn-Haltepunkte in „Überlappungszonen“ – zum Vorteil für den Kunden, wie der MVV betont. Für die Fahrt beispielsweise von Allach zum Hauptbahnhof bezahlt man nur die M-Zone, stadtauswärts etwa nach Dachau nur die Zone 1. Die Wochenkarte kostet in beiden Fällen 17,10 Euro, weniger als vorher.
Neue Preise
Die Streifenkarte kostet unverändert 14 Euro, sonst ändern sich fast alle Ticketpreise – sowohl für Abonnenten als auch für Gelegenheitskäufer. Im Schnitt sinkt der Preis um sieben Prozent, wirbt der MVV für das „Gesamtkunstwerk“.
Aber es gibt Ausnahmen: So steigt der Preis für die Einzelfahrkarte (1 Zone) von 2,90 auf 3,30 Euro. Der MVV gibt zu, dass es im Einzelfall auch für Abokunden teurer wird. Wer etwa die Ringe 2 bis 5 abonniert hat, muss künftig die Zonen M + 1 kaufen – das kostet elf Prozent mehr. Der Pendler hat freilich den Vorteil, dass er in ganz München umherfahren kann. Wer die Ringe 6 bis 9 kauft, muss künftig 3 Zonen erwerben – und statt 79,10 Euro nun 88,90 Euro zahlen.
Neue Tickets
Für 15- bis 20-Jährige gibt es künftig eine eigene Streifenkarte U21, die 7,70 Euro kostet. Achtung bei Kurzstrecken: Jugendliche sollten sich einprägen, nie einen Streifen allein abzustempeln, sonst sind sie Schwarzfahrer. Beispiel: von Fürstenfeldbruck nach Puchheim stempelt man einen Streifen auf der 14 Euro teuren Streifenkarte (Kosten somit 1,40 Euro), aber zwei Streifen auf der Streifenkarte U21 – kostet umgerechnet 1,54 Euro. Übrigens: Auch für eine Fahrt innerhalb der M-Zone sind immer zwei Streifen auf der Jugendstreifenkarte zu entwerten.
Neu ist auch, dass das Sozialticket von Stadt und Landkreis München nun von allen Landkreisen übernommen wird – den Antrag für diese IsarCard S muss man im Landratsamt abgeben. „Es war uns ein großes Anliegen, dass der MVV für Menschen mit sehr kleinem Geldbeutel nun bezahlbarer wird“, sagt der Ebersberger Landrat und Sprecher der MVV-Landkreise Robert Niedergesäß.
Dritte Neuerung: Senioren sind für den MVV künftig Personen ab 65, nicht mehr ab 60. Demzufolge gibt es künftig eine günstigere Isar- Card65, die aber – um die Einschränkung schmackhaft zu verkaufen – ohne Sperrzeit gilt, also nicht erst wie bisher ab 9 Uhr.
Umtausch, Übergang
„So einfach funktioniert es“, überschreibt der MVV seine Pressemitteilung zu den Übergangsregelungen – und listet dann auf nicht weniger als fünf Seiten die Details auf. Denn so ganz leicht ist es im Einzelfall mitunter dann doch nicht.
Klar ist: Für die 345 000 Abonnenten soll der Übergang so bequem wie möglich werden, betont der MVV. Sie müssen nichts beantragen, die Zonen werden automatisch angepasst und die neuen Preise werden ab dem 1. Januar 2020 abgebucht. Sollte sich der Preis erhöhen, wird für die Zwischenzeit 15. bis 31. Dezember nichts nachberechnet, betont der MVV. „Das umzutauschen, wäre bürokratischer Wahnsinn.“
Der MVV rät, über den MVV-Tarifcheck im Internet die neuen Fahrpreise zu überprüfen. Mitunter lauern nämlich bei der automatisierten Umstellung Fallen.
Beispiel: Ein Starnberger, der bisher die IsarCard 9Uhr für seine Fahrten nach München gekauft hat, musste den Geltungsbereich „Gesamtnetz“ wählen und bezahlte 80,90 Euro. Umgestellt würde jetzt auf das Gesamtnetz – das ist die M-Zone mit allen sechs Außenzonen! – für einen Preis von 83,90 Euro. Doch der Fahrgast benötigt ja in Wahrheit nur die Zonen M bis 2 für 71,90 Euro. „In solchen Fällen sollte man sein Abo ändern“, rät die MVV-Sprecherin Franziska Hartmann.
Man kann mit seinem bisherigen Abo oder auch dem singulär gekauften Monatsticket einfach weiterfahren. Wenn Tickets günstiger werden und ein Jahresabo (mit jährlicher Zahlweise) abgeschlossen wurde, wird die Ersparnis ohne Antrag auf das Bankkonto überwiesen – und bei einer Erhöhung wird auch hier nichts nachberechnet.
Eine Sonderregelung gibt es für die Senioren: Wer bisher eine IsarCard60 hatte, nun aber noch nicht 65 ist, darf weiterhin von den Vergünstigungen profitieren. Es gibt eine IsarCard65-Übergang, die bis zum Erreichen der neuen Altersgrenze gilt. Besonderheit: Für diese Gruppe gilt weiterhin die Sperrzeit bis 9 Uhr.
Projekte in der Zukunft
Das war’s noch nicht, würde Uli Hoeneß sagen. Der MVV plant weitere Neuerungen. So zum Beispiel einen E-Tarif nach dem „Check in, check out“-Prinzip, der Gelegenheitsfahrer anlocken soll. Dabei wird über eine Handy-App kilometergenau abgerechnet. Der Großtest mit 10 000 Teilnehmern ist für das zweite Halbjahr 2020 angekündigt.
Fast zur gleichen Zeit soll das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis kommen, nach einem Beschluss der MVV-Gesellschafter ist die Einführung zum 1. August 2020 geplant.
Letztes Thema: Der MVV soll größer werden. „Unser Verkehrsverbund ist eigentlich zu klein“, sagt der MVV-Tarifexperte Norbert Specht. Allerdings müssen sich die Landkreise an den Kosten beteiligen, damit die Fahrgäste von günstigeren MVV-Karten profitieren können. Erweiterungen sind zunächst in Richtung Landsberg, Bad Tölz und Miesbach geplant, später könnten auch Rosenheim und Landshut dazukommen.