„Auch in Senioren-WGs gibt es Kontrollen“

von Redaktion

Nach der Kritik an einem ambulanten Pflegedienst in Schwaben wegen Missständen in einer Senioren-WG wundern sich andere Betreiber, warum dort niemand eingegriffen hat. Sie betonen: Senioren-WGs sind gute Alternativen zum Heim – wenn sich Angehörige einbringen.

VON KATRIN WOITSCH

München – Sonja Brandtner ist Mitgründerin des Münchner Vereins Wohlbedacht. Er betreibt seit fast 20 Jahren drei Senioren-WGs. Nach den Berichten über die Missstände in einer Senioren-WG in Schwaben macht sie sich Sorgen, dass das Ansehen dieser ganzen Wohnform darunter leiden könnte. Senioren-WGs seien für viele alte Menschen eine hervorragende Alternative zu Pflegeheimen, betont sie.

In Biberbach im Kreis Augsburg hatte eine Gruppe von Angehörigen, Ärzten und Krankenschwestern einem ambulanten Pflegedienst massive Vorwürfe gemacht (wir hatten berichtet). In dessen Senioren-WGs habe es neben schweren baulichen Mängeln auch gravierende Fehler bei der Versorgung der Menschen gegeben. Es seien zu wenige und teils ungelernte Pflegekräfte im Einsatz, kritisierte die Gruppe in einem öffentlichen Schreiben.

Als Sonja Brandtner von dem Fall erfuhr, hat sie sich lange mit Manuela Deininger vom Pflegedienst „Mitten im Leben“ darüber unterhalten. Und beide konnten sich nicht erklären, warum diese Missstände so lange nicht thematisiert wurden. „Denn auch in Senioren-WGs gibt es Kontrollen“, berichtet Brandtner. Einmal jährlich werden sie unangekündigt von der Heimaufsicht besucht, die danach einen Prüfungsbericht verfasst, der auch an die Angehörigen weitergeleitet wird, erklärt sie. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kontrolliert zudem jährlich die Pflegedienste. „Vor allem ist aber jeder Angehörige Kontrolleur“, betont Deininger. Denn der große Unterschied zwischen Senioren-WG und Heim sei: „Wenn sich Familien für eine Senioren-WG entscheiden, geben die Angehörigen ihre Verantwortung nicht – wie in einem Heim – ab. Sie gestalten den Alltag mit und entscheiden, welche Leistungen der Pflegedienst gegen Bezahlung übernehmen soll.“ Es sei ganz klar Aufgabe des Angehörigen-Gremium im Blick zu haben, ob sich die Senioren wohlfühlen. „Wenn sie keine Verantwortung fühlen, kann eine Senioren-WG nicht funktionieren.“

Sonja Brandtner weist Angehörige, die sich bei ihr über diese Wohnform informieren möchten, bei jedem Beratungsgespräch darauf hin, dass sie sich überlegen müssen, ob der WG-Charakter für ihre Familie infrage kommt. „Wohngemeinschaften bedeuten für die Senioren mehr Freiraum“, betont sie. „Sie können sich mehr einbringen, zum Beispiel dürfen sie noch kochen, wenn sie das möchten.“ Abgesperrte Türen gibt es in Senioren-WGs nicht, stellt sie klar. Auch nicht, wenn dort Demenzkranke leben. Dann könne es aber eben auch passieren, dass sich ein Demenzkranker mal in ein falsches Bett lege. „Unserer Erfahrung nach haben Angehörige dafür aber immer Verständnis“, sagt Brandtner.

Beide Frauen betonen: Senioren-WGs sind eine schöne und freie Wohnform – es liegt aber in ihrem Charakter, dass sie immer teurer sind als Heime. „In unseren WGs gibt es drei Pflegekräfte für acht bis zehn Bewohner“, sagt Brandtner. „Nachts ist eine Kraft dort. In einem Heim arbeiten nachts zwei für 100 Bewohner.“ Wenn Zimmer in Senioren-WGs sehr günstig angeboten werden, müssten Angehörige misstrauisch werden, sagt sie. „Dann kann etwas nicht stimmen.“

Dem Gesundheitsministerium sind die Vorwürfe gegen den Pflegedienst aus Biberbach seit Anfang Oktober bekannt. Es hat von der zuständigen Fachstelle dazu einen ausführlichen Bericht angefordert. Auf dessen Basis soll über erforderliche Maßnahmen entschieden werden, sagte ein Sprecher.

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